Europol: 2008 weniger Anschläge im EU-Raum

Der Europol-Bericht macht keine Angaben über rechte Gewaltaktionen.

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Am Freitag wurde in Den Haag der Jahresbericht 2008 der Europäischen Polizeibehörde Europol zur Sicherheitslage im EU-Raum veröffentlicht. Danach ist 2008 die Zahl "terroristischer Anschläge", vor allem Brandanschläge und kleinere Explosionen, im Vergleich zum Vorjahr um 23 % gesunken. Insgesamt haben die EU-Staaten im Berichtszeitraum 515 Anschläge gemeldet, von denen ca. 10 fehlgeschlagen sind oder vereitelt wurden.

An der Spitze lagen laut Europool Anschläge mit separatistischem Hintergrund. Aber auch in dieser Kategorie sind die Aktionen von 532 im Jahr 2007 auf 397 im Jahr 2008 gesunken. Obwohl es 2008 nur einen Anschlag mit islamistischen Hintergrund im EU-Raum gab, heißt es in dem Bericht, dass die Gefahr islamistischer Anschläge global gesehen weiterhin sehr hoch sei. Dabei wird ein Zusammenhang zwischen den auch von EU-Ländern unterstützten Militäreinsätzen in islamischen Ländern und der Gefahr islamistischer Anschläge im EU-Raum hergestellt. So wurden Drohvideos ins Netz gestellt, in denen mit Verweis auf den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr Anschläge in Deutschland angekündigt worden sind.

Die Zahl der Anschläge mit anarchistischen oder linksextremistischen Hintergrund ist vor allem in Italien, Griechenland und Frankreich leicht angestiegen.

Keine Angaben über rechte Gewalt

1009 Personen sind im letzten Jahr im EU-Raum unter Terrorismus-Verdacht festgenommen worden, davon 187 Personen mit islamistischem Hintergrund. In 273 Fällen ist es zu Verurteilungen gekommen.

Über rechte Gewaltaktionen gibt es im Europol-Bericht keine Angaben. Das ist umso bemerkenswerter, weil es in verschiedenen europäischen Ländern militante Anschläge mit rassistischem Hintergrund mit Sach- und Personenschäden gab Diese Blindheit auf dem rechten Auge ist nicht die einzige Merkwürdigkeit des Berichts. Ein Zusammenhang zwischen staatlicher Politik und Zunahme der Gewalt wird nicht hergestellt. So wird die Fortdauer separatistischer Gewalt durch die ETA im Baskenland hervorgehoben, das Verbot zivilgesellschaftlicher Organisationen und Parteien durch die spanische Justiz aber nicht erwähnt.

Als Beweis für eine internationale Zusammenarbeit terroristischer Gruppen wird in dem Bericht auf Kontakte zwischen der ETA und der kolumbianischen FARC hingewiesen. Dabei wird verschwiegen, dass die Klassifizierung der FARC als terroristische Organisation von vielen Lateinamerika-Experten als einseitige Parteinahme für die kolumbianische Regierung in einem Jahrzehnte währenden sozialen und politischen Konflikt gewertet wird.

So könnte man en Europol-Jahresbericht statt als einen objektiven Bericht über die Sicherheitslage als ein Dokument über den offiziellen Sicherheitsdiskurs auf EU-Ebene lesen.

Verliert Schäuble an Einfluss?

Eine Personalie deutet auf einen Einflussverlust Deutschlands bei der europäischen Sicherheitspolitik hin. Der Brite Rob Wainwright wird künftig Europol leiten. Seit ihrer Gründung stand ein Deutscher an der Spitze der Behörde. Die Ablösung des bisherigen Leiters Max-Peter-Ratzel stieß beim Bundesinnenministerium auf Widerstand.

„Tatsächlich wollte Innenminister Wolfgang Schäuble seine EU-Kollegen dafür gewinnen, Ratzel zumindest für eine Übergangszeit weiterarbeiten zu lassen. Einige wichtige Vorhaben seien zwar begonnen, aber noch nicht abgeschlossen worden, argumentierte Schäuble – vergebens“, schreibt „Die Welt“. Dieses Kompetenzgerangel dürfte allerdings wenig an der Ausrichtung der Behörde ändern.