Experten diskutieren Zukunft der Patentgerichtsbarkeit

Auf einem Symposium sprachen sich Vertreter der Richterschaft und der deutschen wie europäischen Patentanwaltschaft für das Streitregelungsübereinkommen EPLA aus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 22 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert

Viel Unterstützung für das von einer Arbeitsgruppe bei der Europäischen Patentorganisation (EPO) vorgeschlagene European Patent Litigation Agreement (EPLA) gab es gestern bei der Konferenz zur Zukunft der Patentgerichtsbarkeit (PDF-Datei) in München. Vertreter der Richterschaft und der deutschen wie europäischen Patentanwaltschaft sprachen sich für das EPLA aus. Mit dem Streitregelungsübereinkommen soll auf Vorschlag des Europäischen Patentamtes (EPA) eine zentrale Patentgerichtsbarkeit für die EPO-Mitglieder geschaffen werden.

Allerdings befürworteten mit Ausnahme eines Vertreters des italienischen Außenministeriums die Mehrzahl der eingeladenen Referenten EPLA in seiner "ursprünglichen", und nicht in der von der EU-Kommission abgewandelten Form. Von deutscher Seite gab es dabei allerdings auch Alternativvorschläge, etwa die Möglichkeit, Patenturteile eines Mitgliedsstaates als maßgeblich und durchsetzbar für die Gemeinschaft zu machen. Ein Vertreter eines mittelständischen Unternehmens lobte das deutsche System und warnte vor mehr Bürokratie durch Übersetzungszwänge.

"EPLA ist nicht die ideale Lösung, aber es ist bei weitem das Beste, was bisher vorgeschlagen wurde", sagte Eugen Popp für die deutsche Patentanwaltskammer. In einer Anhörung der EU-Kommission hätten sich 95 Prozent der Rückmeldungen positiv ausgesprochen. Kevin Mooney von der European Patent Lawyer Association fragte sich daher bei der ersten Podiumsdiskussion, wer die Politiker informiere, die am vergangenen Wochenende erneut mit einer Einigung gescheitert sind. Aus Sicht der Anwälte geht die jüngste Verzögerung auf die Kappe der EU, die ein Gemeinschaftsgericht statt dem im ursprünglichen EPLA vorgeschlagenen Europäischen Patengericht mit Vertretern der Vertragsstaaten der Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) befürworten.

Der britische Richter und Patentrechtsexperte Robin Jacob diskutierte vier Alternativen: Neben einer Beibehaltung des Status quo und dem aus seiner Sicht von weiten Teilen der Richterschaft bevorzugten EPLA sowie der viel kritisierten EPLA-Variante der EU-Kommission bestehe noch die Möglichkeit einer Anerkennung von Patenturteilen nationaler Gerichte. Möglich wäre das durch relativ "geringfügige Änderungen" im Artikel 22 der "Verordnung des Rats über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen" (EUGVVO). Aus Popps Sicht würde so die Unabhängigkeit der nationalen Gerichte gewahrt.

Laut Bernd Tödte, Vizechef des Bundespatentgerichts, könnten die Gerichte selbst an Verbesserungen, vor allem einer Beschleunigung der Verfahren arbeiten. Wenn diese sechs Jahre dauerten, sei dies zu lange in einer Zeit, in der ein Siemens-Vorstandsvorsitzender nicht weiß, womit sein Unternehmen in zwei Jahren sein Geld verdienen werde. Jacob kritisierte dagegen den Weg der grenzüberschreitenden Durchsetzung. Es wäre hart, würde ein britische Gericht eine Fabrik in Rotterdam schließen. Er befürchtet "Forum Shopping" der übelsten Art nach dem Beispiel niederländischer "Rambo-Anwälte", die Klägern beste Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Ansprüche von Holland aus versprachen.

Auch auf Seiten der Wirtschaft gibt es durchaus Anhänger der deutschen Patentgerichtsbarkeit. Der eindringlichste Appell, keine Verschlechterungen zugunsten eines europäischen Kompromisses hinzunehmen, kam vom Schweißmaschinen-Hersteller Manfred Schlemmer. Er nannte die freie Gerichtswahl und die Möglichkeit, in seiner Muttersprache vor Gericht selbst an der Verhandlung teilzunehmen, kritisch. Anderer Meinung waren Annika Ryberg von Electrolux und Thierry Sueur von der französichen Air Liquide. Der Verweis auf die relativ geringe Zahl von divergenten Entscheidungen in Parallelverfahren vor verschiedenen nationalen Gerichten sei nur die Spitze des Eisbergs.

"Warum sollte ein Patent, das erteilt wurde, in einem Rechtssystem anders ausgelegt werden als in einem anderen?, fragte Sueur. In seinem Unternehmen schaue man sich jeden Tag die Patente der Konkurrenz an, und überlege, ob man da ein Problem habe oder nicht. Solange die Politik nicht die Auffassung teile, dass Innovation zu schützen sei, wie diese die Regierungen in China oder Japan täten, "können wir es vergessen". Ryberg nannte das aktuelle System "zeitraubend, unsicher und teuer". Das Argument, große Konzerne würden gerne die Patentverletzter durch die Gerichte verschiedener Mitgliedsstaaten jagen, treffe einfach nicht zu.

Einer der anwesenden Anwälte verwies darauf, dass große Unternehmen sich letztlich der Unterschiede in den nationalen Patentsystemen gekonnt bedienten. "Sie wissen natürlich, dass ein englisches Verfahren für den angegriffenen Verletzer besonders vorteilhaft ist, dass Italien das einstweilige Verfügungsverfahren perfektioniert hat und dass die deutsche Jurisdiktion im ordentlichen Gerichtsverfahren unschlagbar ist." Er sei gar nicht gegen das EPLA, aber das müsse pragmatisch aufgesetzt werden. Sonst geschehe möglicherweise, was bei der Kartellaufsicht geschehen sei. Diese wurde nach wenigen Jahren zentraler Aufsicht wieder dezentralisiert, und das, obwohl es wesentlich weniger Verfahren gegeben habe als Patentstreitigkeiten.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Monika Ermert) / (anw)