Experten erklären das Internet 2020

Nach einer Umfrage unter Internet-Experten birgt das Netz der Zukunft bei allen Chancen auch elementare Risiken – etwa die Preisgabe von immer mehr persönlichen Daten.

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Ein US-Forschungsinstitut hat 742 Experten, darunter Netzbürger der ersten Stunde, Wissenschaftler und Vertreter von Organisationen wie ICANN oder IEEE, zum zweiten Mal um einen Blick in die Kristallkugel gebeten und zum Internet des Jahres 2020 befragt. Nach der im Rahmen des Projekts "Imagining the Internet" von der Forschungseinrichtung Pew Internet & American Life und der Universität Elon durchgeführten Studie (PDF-Dokument) sehen die Experten im Netz der Zukunft große Chancen, weisen aber auch auf die Gefahren hin.

So werde ein offenes und weltumspannendes Informationsnetz zu mehr Transparenz bei Unternehmen, Organisationen und Individuen führen. Diese komme aber zu einem Preis, den nicht alle Befragten auch bezahlen wollen: Die Menschen würden wissentlich oder unwissentlich immer mehr persönliche Daten preisgeben und davon zwar einen Nutzen haben, aber auch weniger Privatsphäre. Diese Aufgabe eines Teils der informationellen Selbstbestimmung halten fast die Hälfte der Umfrageteilnehmer für einen zu hohen Preis. Privatsphäre ist 2020 ein Ding der Vergangenheit, sagt einer der Befragten voraus.

So fürchten einige der Befragten auch, dass Regierungen und Unternehmen nicht wirklich ein Interesse daran haben könnten, das neue Netz der Transparenz auf weltweit bisher unterversorgte Gegenden auszudehnen. Vielmehr erwarten sie, dass ernste soziale Schieflagen weiter bestehen werden. Die Mehrheit der Befragten rechnet damit, dass die Menscheit 2020 das Netz noch unter Kontrolle hat. Über 40 Prozent sind sich da allerdings nicht so sicher. Einig waren sich die Experten nur darin, dass diverse Gefahren und Abhängigkeiten es zunehmend schwerer machen werden, die Technologie noch zu beherrschen.

Die Mehrheit der Experten erwartet, dass sich einige Menschen für ein Leben ohne Netz entscheiden werden. Doch nicht alle der Netzlosen werden friedlich bleiben, fürchten die Befragten. Sie rechnen mit Gewalt gegen technische Einrichtungen oder gar Terrorvereinigungen, die sich dem technologischen Wandel widersetzen.

So weit geht Tim Berners-Lee in einem Interview mit der Wirtschaftswoche nicht. Auch mit Prognosen hält sich der "Erfinder" des Internets zurück: "Ich bin Wissenschaftler, kein Prophet". Es sei nur abzusehen, dass das Netz der Zukunft radikal anders sein werde als das Internet von heute, sagte er der Zeitung. Das Internet verlasse die Grenzen des Festnetzes, werde mobil und zunehmend intelligent. Das semantische Web werde unser Leben grundlegend verändern, erwartet Berners-Lee.

Doch weiß auch Berners-Lee um die Gefahren eines allumfassenden, gleichermaßen intelligenten wie datenhungrigen Netzes. "Wie können wir sicherstellen, dass vertrauliche Informationen bei all dem Hin und Her nicht bei der falschen Adresse landen?" fragt Lee und hat darauf nicht wirklich eine Antwort. Irgendwo gibt es immer eine Schwachstelle, stellt er fest, und das werde beim Internet der Zukunft nicht anders sein. "Mal sehen, wie wir das in den Griff bekommen." (vbr)