Expertenpanel: Internet setzt sich gegen Zensurbemühungen durch

Die von Google initiierte Denkfabrik "Collaboratory" hat ihren Bericht zu "Menschenrechten und Internet" veröffentlicht. Eine neue, aufs Netz ausgerichtete Charta der Grundrechte ist demnach nicht erforderlich.

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Eine neue, speziell aufs Netz ausgerichtete Charta der Grundrechte ist nicht erforderlich. Zu diesem Schluss kommen rund 30 Experten, die sich im Rahmen der von Google initiierten Denkfabrik "Collaboratory" zwischen Januar und März mit dem Themenkomplex "Menschenrechte und Internet" beschäftigt und am Mittwoch ihre Resultate in einem knapp 150-seitigen Bericht veröffentlicht haben. Prinzipien zum Zugang und zu Basisfreiheiten, die offline gelten, sind auch online anwendbar, waren sich die Forscher einig.

"Weltweit ist die Durchsetzung der Menschenrechte eine Herausforderung, für die viele Menschen mit ihrer Freiheit oder gar ihrem Leben bezahlen", heißt es in dem Report. Das Internet diene in diesem Kontext etwa zur Kommunikation zwischen Dissidenten, Journalisten und Aktivisten. Es stelle zudem selbst einen Raum dar, in dem es gelte, Rechte und Freiheiten zu verteidigen. Die gesellschaftliche Bedeutung des Netzes gewinne so eine zusätzliche Brisanz. Es könne einerseits einen wichtigen Beitrag zur Durchsetzung der Menschenrechte leisten. Andererseits müsse eine entwicklungsorientierte internationale Informationsgesellschaft auf dem Fundament der etablierten Grundfreiheiten aufsetzen.

Für die Analyse haben die Beteiligten unter der Leitung des Grazer Völkerrechtlers Matthias Kettemann mehrere Koryphäen auf dem Gebiet der Menschenrechte und der Informationstechnik befragt. Frank La Rue, Sonderbotschafter der Vereinten Nationen für Meinungsfreiheit, zeigte sich dabei optimistisch: "Das Internet wird als offener Kommunikationsraum siegen, weil die Staaten bei der Zensur nicht hinterher kommen." Er warnt aber davor, sich zurückzulehnen: Die größte Gefahr sieht der UN-Vertreter in der "Kriminalisierung der Meinungsäußerung". Blogger etwa müssten daher besser geschützt werden. Das Internet könne nämlich nicht nur als Instrument der Revolution dienen, wie es im Arabischen Frühling der Fall gewesen sei, sondern auch als Instrument der Unterdrückung. Zumindest "neue soziale Normen" hielt zudem mit Vint Cerf einer der Väter des Internets für dringend erforderlich.

Blogger aus aller Welt selbst haben im Rahmen des Projekts auf Menschenrechtsverletzungen in ihren Ländern aufmerksam gemacht. Aus den Stellungnahmen erstellte der Think Tank ein Video, das den Startschuss für die Kampagne die "Irrepressible Voices" gibt. Sie soll Nutzer in aller Welt dazu aufrufen, Botschaft zu visualisieren und auf die Plattform hochzuladen.

Nicht zuletzt machte sich die Expertengruppe Gedanken darüber, wie Rechte und Pflichte für Nutzer konkret aussehen könnten. In einem Planspiel gründeten sie dazu eine "transnationale Republik" in Form einer "Noosphäre". Auf der Netzkonferenz re:publica sollen dazu im Rahmen einer Präsentation des Berichts am Mittwochnachmittag "Pässe" für die neue Gemeinschaft ausgegeben werden. Dies erachten die Wissenschaftler anfangs noch für erforderlich, bis derlei bestehende Strukturen überwunden werden könnten. (jk)