FMS: Seagate beschwört die Zusammenarbeit von Festplatten und SSDs

Auf dem FMS geht es neuerdings auch um Festplatten. Seagate hatte zwar keine Neuheiten zu verkünden, gab aber interessante Einblicke in die aktuelle Technik.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen

KI braucht trotz des aktuellen Hypes nur einen kleinen Teil der gesamten Speicherkapazität aller Laufwerke.

(Bild: Seagate)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Lutz Labs

Auch auf dem Flash Memory Summit (FMS) ist Künstliche Intelligenz eines der Hauptthemen, und dazu braucht man schnelle SSDs. Doch für die Datenablage und viele weitere andere Anwendungen sind auch Festplatten geeignet: 90 Prozent aller Enterprise-Daten liegen nach Angaben von Seagate-Technologist Praveen Viraraghavan auf Festplatten. Viraraghavan nannte etwa File Server, Object Storage und Dokumentenmanagement. Weitere 10 Prozent, beispielsweise Datenbanken, E-Commerce-Anwendungen oder Gaming, benötigen SSDs, und das sicherlich aus einem Rundungsfehler stammende letzte Prozent extrem schnelle SSDs, etwa für KI-Training, Wissenschaftssimulationen oder Gen-Sequenzierung. Das Verhältnis dürfte sich nach Angaben des Seagate-Managers allerdings in den nächsten Jahren etwas verschieben: Die KI-Anwendungen stehen gerade am Anfang, er nannte etwa die Erstellung eines 90-minütigen Spielfilms aus einem 10-seitigen KI-Prompt als mögliche Anwendung – in zehn Jahren oder so.

Einer der Gründe, warum Festplatten immer noch gekauft werden, ist sicher der Preis. Dieser liegt bei 20 bis 30 Prozent dessen, was man bei gleicher Kapazität und Qualitätsstufe für eine SSD ausgeben muss. Geld spielt auch beim zweiten Grund eine Rolle: Die Flash-Hersteller haben im vergangenen Jahr rund 333 Exabyte Speicher produziert, der Ausstoß 2027 wird auf 963 Exabyte geschätzt. Den Speicherbedarf für 2027 aber sehen die Auguren von IDC und Trendforce bei 3686 Exabyte, also 2723 Exabytes mehr. Die Kosten für den Bau passender Fabriken können wir nicht schätzen, aber viele hundert Milliarden Euro werden es sicher sein.

Private Anwender werden sich in Zukunft Festplatten wohl weiterhin vor allem in der Form von USB-Laufwerken für Backup-Zwecke anschaffen. In den Rechenzentren haben Festplatten weiterhin große Bedeutung.

Viraraghavan nannte dann noch einige technische Details zu den aktuellen Laufwerken von Seagate. So beträgt die Flughöhe, also der Platz zwischen den mit 7200 Umdrehungen pro Minute rotierenden Scheiben und den Schreib-Lese-Köpfen, gerade einmal noch 1 bis 2 Nanometer. Als anschaulichen Vergleich nannte er einen Airbus 380, der mit 1000 km/h einen halben Meter über der Grasnarbe fliegt. Noch ein Vergleich: Die Köpfe treffen eine Spur mit maximal einer Abweichung von 3 Nanometern. Das gleicht einem Autofahrer, der bei 80 Meilen pro Stunde (128 km/h) sein Lenkrad so gut im Griff hat, dass er maximal 5 Wassermoleküle nach links oder rechts abweicht.

Mit der HAMR-Entwicklung ist Seagate ebenfalls weitergekommen. Das Unternehmen hat bereits eine Festplatte mit 40 TByte gebaut, produktionsreif ist diese jedoch noch nicht. Seagate hat die relevanten Teile, also Magnetscheibe, Laser und Plasmonic Transducer durch Weiterentwicklungen ersetzt. Der Plasmonic Transducer dient der "Verkleinerung" des Laserstrahls. Denn dieser ist mit einigen hundert Nanometern viel zu breit für die nur wenige 10 Nanometer breiten Spuren, der Plasmaausstoß des Transducer hingegen ist auf die Spurbreite angepasst.

Die Leistungsaufnahme der HAMR-Laufwerke hat sich im Vergleich zu den vorherigen Modellen vergrößert. Bis zu 9,6 Watt nehmen die heliumgefüllten Laufwerke nun auf, die ebenfalls mit 10 Scheiben gefüllten Platten ohne HAMR-Technik begnügen sich mit etwa 8 Watt. Der Laser selbst benötigt jedoch nur wenige Milliwatt, und das auch nur sehr kurze Zeit. Für die erhöhte Leistung sind auch noch andere Komponenten verantwortlich. Bei der für TCO-Betrachtungen wichtigen Kenngröße Watt/TByte aber schneiden die HAMR-Laufwerke besser ab als die älteren Modelle.

Eine positive Tendenz ist hingegen bei der zulässigen Arbeitslast zu vermelden: Während der sogenannte Workload, also die maximale Menge der gelesenen und geschrieben Daten, bei den alten Exos-Modellen bei insgesamt 550 TByte pro Jahr liegt, hat Seagate die im Rahmen der Garantie zulässige Last bei den HAMR-Laufwerken auf 700 TByte erhöht.

Immer mehr Kapazität: Die Raodmap der Festplattenhersteller geht weit über 100 TByte hinaus.

(Bild: Seagate)

Seagate ist sich sicher, mit der HAMR-Technik Laufwerke mit bis zu 80 TByte bauen zu können. Weitere Techniken, etwa das von japanischen Forschern kürzlich entwickelte 3D-HAMR, könnte auch funktionieren, bis zu einem produktionsreifen Prozess sei der Weg jedoch noch lang, meinte Mohamad El-Batal, Chief Technologist im CTO Office, auf Nachfrage.

Der Kapazitätsgewinn durch HAMR stammt in erster Linie aus der Erhöhung der Spuren, diese liegen einfach dichter beieinander. Die Anzahl der Bits in einem Track, also einer Spur, hat sich hingegen nur um 5 bis 8 Prozent erhöht. Einer der nächsten Entwicklungsschritte betreffe daher auch die Medien, damit mehr Daten in die Spuren hineinpassen. Auch SMR-Platten sind mit HAMR denkbar, an dem mit unterschiedlicher Laserleistung arbeitenden HIMR (Heat Assisted Interlaced Magnetic Recording) arbeiten die Forscher aktuell nicht.

Die Anzahl der Spuren auf einer modernen Festplattenscheibe, dem sogenannten Platter, liegt zwischen 750.000 und 800.000 pro Zoll. Die unterschiedlichen Werte resultieren aus Fehlern aus dem Produktionsprozess. Welche der Spuren defekt sind, vermerkt Seagate für jeden einzelnen Platter in einer internen Datenbank und natürlich auf der Platte selbst. Das ist einer der Gründe, warum das Anlaufen einer Festplatte eine gewisse Zeit dauert, teils sogar künstlich verlangsamt wird: Die Platte muss zunächst diverse Daten zu ihrer eigenen Initialisierung lesen, bevor sie betriebsbereit ist. Und das dauert bei Festplatten halt.

Einen schnelleren Start versprechen Festplatten mit PCIe-Interface und NVMe-Protokoll, wie sie Seagate zusammen mit Western Digital und Microsoft im Open-Compute-Projekt definiert hat. Solche Festplatten nutzen über den NVMe-Treiber Teile des Betriebssystem-DRAM und können diese Werte direkt dort auslesen, was wesentlich schneller gehen dürfte. Seagate erwartet jedoch nach Angaben vom El-Batal erst im Jahr 2027 oder 2028 den Anstoß aus der Industrie zum Bau solcher Festplatten.

(ll)