Facebook: Gewalt zu zeigen ist erlaubt, wenn der User sie ablehnt

Facebook erlaubt die Darstellung von Gewalt. Das gilt auch für Live-Videos. Die Gewalt darf aber nicht gutgeheißen werden und Opfer dürfen nicht gehänselt werden. Das hat Facebook vor dem Hintergrund fortgesetzter Polizeigewalt in den USA klargestellt.

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Sinnbild "Stop!"

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Facebook.com zensiert Live-Videostreams nach den gleichen Grundsätzen, wie andere Inhalte auch. Das hat der Betreiber am Freitag klargestellt. "Wir entfernen explizite Inhalte, wenn sie zum sadistischen Vergnügen geteilt werden oder um Gewalt zu verehren und zu verherrlichen", heißt es in den Gemeinschaftsregeln. Außerdem fordert Facebook die Postenden auf, "ihre Zielgruppe zu warnen, wenn die Inhalte explizite Gewaltdarstellungen zeigen". Inhalte werden also nicht schon wegen der Darstellung von Gewalt alleine zensiert.

Facebooks Icon für explizite Inhalte

(Bild: Facebook)

Eine der sensibelsten Situationen entstehe, wenn Personen gewalttätige oder explizite Bilder von Ereignissen der realen Welt teilen. In diesen Situationen seien Kontext und Grad der Gewalttätigkeit entscheidend, heißt es weiter. "Wenn zum Beispiel eine Person eine Schießerei beobachtet, und Facebook Live dazu verwendet, um Aufmerksamkeit zu erregen oder den Schützen zu finden, würden wir das erlauben. Wenn allerdings jemand das selbe Video teilt, um das Opfer zu hänseln oder die Schießerei zu feiern, würden wir das Video entfernen."

"Live Video kann ein mächtiges Werkzeug in einer Krise sein, um Ereignisse zu dokumentieren oder um Hilfe zu bitten", hält Facebook fest. Eigens dafür abgestellte Mitarbeiter kontrollieren rund um die Uhr, ob Inhalte den Gemeinschaftsregeln entsprechen. Diese Mitarbeiter überprüfen Livestreams und andere Inhalte jedenfalls dann, wenn mindestens ein User Meldung erstattet hat.

Erkennt Facebook, dass ein Video Gewalt zeigt, wird es mit einer Warnung versehen. User unter 18 Jahren bekommen das Laufbild in der Regel gar nicht zu sehen. Ältere müssen bestätigen, dass sie es wirklich sehen wollen. Solche Videos werden also nicht automatisch gestartet.

So warnt Facebook vor dem Video, welches den sterbenden Philando Castile zeigt.

(Bild: Screenshot)

Livestreams mit besonders vielen Zusehern werden auch dann gesichtet, wenn es keine Beschwerden gibt. Zusätzlich zum Klicken des Meldeknopfes sollen Facebook-User die Polizei rufen, wenn sie glauben, eine abgebildete Person könnte eine Gefahr für sich selbst oder Andere darstellen.

Anlass für Facebooks Klarstellung war die zeitweilige Unterbrechung der Live-Übertragung des Sterbens von Philando Castile. Der in einem Auto sitzende Schwarze war in Minnesota vom Polizisten Jeronimo Yanez aus nächster Nähe erschossen worden. Unmittelbar nach den vier Schüssen auf Castile begann die Lebensgefährtin des Opfers, Diamond Reynolds, das weitere Geschehen mit ihrem Handy live auf Facebook zu streamen. Sie erkannte die Schwere der Verletzungen ihres Freundes zunächst nicht.

Dieser Stream, der enorme Aufmerksamkeit erregte, wurde auf Facebook zwischenzeitlich unterbrochen. Das führte zu unterschiedlichen Vermutungen. Laut Facebook gab es ein technisches Problem, welches aber nicht näher beschrieben wird. Zensur soll keine Rolle gespielt haben.

Laut Associated Press war Castile in den vergangenen Jahren mindestens 52 Mal von der Polizei angehalten worden. Dabei wurden ihm insgesamt rund 6600 US-Dollar an Strafen auferlegt. Mehr als die Hälfte davon wurde aufgehoben, nachdem Castile gerichtliche Anhörungen begehrt hatte. Zahlen musste er etwa wegen eines fehlenden Schalldämpfers, zu schnellem Fahren oder Fahren ohne Sicherheitsgurt. Castiles Familie sieht darin einen Beweis dafür, dass sich die Polizei besonders auf Schwarze konzentriert.

Seit dem Jahr 2000 sind in Minnesota mindestens 132 Menschen durch Polizeigewalt getötet worden. Dazu kommen mindestens acht ungeklärte Todesursachen, fünf tödliche Unfälle, zwei natürliche Todesfälle und ein Suizid, jeweils in Verbindung mit Polizeigewalt. Das zeigt eine laufende Erhebung der Zeitung Star Tribune. In keinem einzigen Fall wurde Anklage erhoben. In einigen Fällen gab die Polizei Gesetzesverletzungen zu und zahlte den Angehörigen Geld. Fünf Fälle werden noch untersucht. Unter den 148 Todesopfern waren 43 Schwarze (29,1 Prozent). 5,2 Prozent der Bevölkerung Minnesotas sind schwarz. (ds)