Fahrdienste: kaum Liberalisierung, weniger Individualverkehr, mehr Ride Pooling
Im Gegensatz zu Taxis müssen Mietwagendienste und Fahrdienst-Vermittler zum Betriebssitz zurückkehren, heißt es im Entwurf des neuen Personenbeförderungsrechts.
Fahrdienst-Vermittler wie Uber und Free Now sollen grundsätzlich nach jeder Fahrt zum Betriebssitz zurückkehren müssen. Sie dürfen – anders als Taxis – nicht etwa an der Straße auf neue Kunden warten. Dies will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit dem von seinem Haus erstellten "Referentenentwurf der Bundesregierung" für ein Gesetz "zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts" festschreiben.
Die Genehmigungsbehörde soll laut dem knapp 50-seitigen Papier, das heise online vorliegt, allenfalls "Ausnahmen zum Rückkehrort" des entsprechenden "Mietwagens" auch "ohne neuen Beförderungsauftrag" zulassen können. Voraussetzung dafür ist, dass dem "öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen".
Ferner soll die Regierung eines Bundeslandes mit einem Zusatz zu Paragraf 49 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) ermächtigt werden, durch eine Rechtsverordnung Einzelheiten für die Zulassung von Alternativen zu der Rückkehrpflicht zu regeln. Dabei könne etwa auch "die maßgebliche Wegstrecke zwischen Betriebssitz und Abstellort sowie bei mehreren Abstellorten die maßgebliche Wegstrecke zwischen diesen" festgelegt werden.
Keine Liberalisierung
Von einer grundlegenden Liberalisierung des Taxi- und Fahrdienstmarkt, wie sie Scheuer noch im Februar mit seinen Eckpunkten für die Reform umrissen hatte, ist so nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Der konkrete Entwurf orientiert sich stärker an den Ergebnissen einer "Findungskommission" von Bund und Ländern vom Juni, die vor allem "Pooling-Dienste" beflügeln will.
Immer mehr "alternative Bedienformen" drängten auf den Verkehrsmarkt und stellten den klassischen ÖPNV vor große Herausforderungen, konstatiert das federführende Ministerium. Die dabei neu entstehenden digitalen Geschäftsmodelle machten es möglich, Fahrdienstleistungen bedarfsgerecht zu vermitteln. So könnten durch "intelligente Bündelung" Services "mehreren Personen mit unterschiedlichen Zielen unabhängig von Linienvorgaben angeboten werden". Dies erlaube es wiederum, die Fahrzeuge besser auszulasten.
Die neuen Mobilitätsangebote sind den gesetzlich vorgegebenen Typen des PBefG oft nicht eindeutig zuzuordnen. Dieser Graubereich bringe für die Betreiber angesichts einer unterschiedlichen Genehmigungspraxis "Unsicherheiten" mit sich, ist dem Entwurf zu entnehmen. Entsprechend eines Versprechens aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag gelte es daher, "die Rahmenbedingungen für den öffentlichen Verkehr und neue Bedienformen im Bereich geteilter Nutzungen (Ride Pooling) an die sich ändernden Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und neue technische Entwicklungen anzupassen".
Ride Sharing und Ride Pooling
Den Pooling-Bereich will das Ministerium dabei unterteilen in eine neue Form des Linienverkehrs innerhalb des ÖPNV, wie sie etwa die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit dem Berlkönig erproben. Eingeschlossen werden sollen Pkw, die "auf vorherige Bestellung ohne festen Linienweg eine Vielzahl von bestimmten baulich oder virtuell eingerichteten Haltestellen" anfahren. Als zweite Gruppe des "Gelegenheitsverkehrs" beschreibt das Ressort den "gebündelten Bedarfsverkehr" außerhalb des ÖPNV mit derzeitigen Anbietern wie CleverShuttle oder Moia. Beide Bereiche lassen sich aber nur schwer auseinanderhalten.
Dem Bedarfsverkehr wird dem Plan nach die Einzelsitzplatzvermietung ermöglicht, um Aufträge "verschiedener Fahrgäste entlang ähnlicher Wegstrecken zu bündeln". Einschlägige digitalbasierte Angebote dürften ausschließlich den Bestellmarkt bedienen, sie unterlägen nicht der Betriebs- und Beförderungspflicht und hätten grundsätzlich auch keine Auflage zur Rückkehr zum Betriebssitz.
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Um die öffentlichen Verkehrsinteressen vor Ort zu schützen, erhalten die Kommunen auch hier abweichende "Steuerungsmöglichkeiten". Sie können damit aber auch vom bisher vorgesehenen Pooling-Verbot für Taxis abweichen.
Weniger Individualverkehr
Plattformbasierte "On-Demand-Mobilitätsdienste" besitzen laut dem Ministerium generell das Potenzial, "den motorisierten Individualverkehr in den Städten zu reduzieren und die Menschen in ländlichen Räumen mit effizienten und bezahlbaren" Leistungen zu versorgen. Durch die reguläre Zulassung eines bedarfsgesteuerten Linienverkehrs werde den Verkehrsunternehmen eine "zusätzliche Gestaltungsmöglichkeit des lokalen Angebots eingeräumt". Damit sollen sie etwa in die Lage versetzt werden, ergänzend zum klassischen Linienverkehr bislang schwach ausgelastete Routen effizienter zu bedienen.
Laut dem geplanten Paragraf 50 PBefG zum "gebündelten Bedarfsverkehr" dürfen "Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen" sowie Werbung "weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxen- oder dem Mietwagenverkehr zu führen". Es sei zudem nur erlaubt, Personen innerhalb der Gemeinde zu befördern, in der der Unternehmer seinen Betriebssitz hat. Die Genehmigungsbehörde könne Pooling-Dienste zudem zeitlich oder räumlich beschränken, "soweit öffentliche Verkehrsinteressen dies erfordern". Andererseits sei es auch möglich, "einen größeren Bezirk" festzusetzen.
Bedingungen, Sozialstandards und "Fachkunde"
Im Stadt- und im und im Vorortverkehr muss der Aufgabenträger dem Dokument zufolge eine Quote für den in einem bestimmten Zeitraum zu erreichenden Anteil an gebündelten Beförderungsaufträgen innerhalb des zugelassenen Gebietes festlegen. Deren Auswirkungen "auf die öffentlichen Verkehrsinteressen und die Umweltverträglichkeit" seien zu untersuchen, spätestens nach zwei Jahren Bericht müsse ein Bericht dazu vorliegen.
Die Landesregierung soll auch weitere Anforderungen etwa für Sozialstandards in Form von Arbeitsbedingungen für das Fahrpersonal aufstellen dürfen. Sie wird dem Vorhaben nach zudem ermächtigt, Mindest- und Höchstbeförderungsentgelte für den gebündelten Bedarfsverkehr festzusetzen.
Die PrĂĽfung der "erforderlichen Ortskenntnisse" fĂĽr den Taxi-Schein soll durch eine der "erforderlichen Fachkunde" ersetzt werden. Taxen mĂĽssen im Gegenzug durch einen Navi oder eine entsprechende App auf dem "Stand der Technik" mit "echtzeitdatenbasierter StreckenfĂĽhrung" sowie einem "umfassenden Sonderzieleverzeichnis" ausgerĂĽstet werden.
Ă–ffentliche Datenauswertung
Fahrdienstunternehmer sollen verpflichtet werden, "wesentliche statische und dynamische Daten zu seiner Dienstleistung, die für das Angebot bedarfsgesteuerter Mobilitätsdienstleistungen, die Bereitstellung multimodaler Reiseinformationsdienste, die Verkehrslenkung sowie für den Klimaschutz wesentlich sind, standardisiert öffentlich und maschinenlesbar über einen nationalen Zugangspunkt bereitzustellen".
Laut einer zusätzlich geplanten Mobilitätsdatenverordnung bezieht sich diese Vorgabe auch auf Kontaktdaten des Dienstleisters, Preise, Stationen und Anzahl verfügbarer Fahrzeuge inklusive Informationen zur "Auslastung in Echtzeit". Dazu kommen sollen Auskünfte zum eingesetzten Fahrzeugpool, dessen Umweltstandard sowie zur Barrierefreiheit. Darunter fielen auch Daten zu Bezahl- und Buchungsmöglichkeiten sowie den tatsächlich abgerechneten Kosten. Die Nutzung der Informationen orientiere sich am Open-Data-Prinzip und dürfe nur eingeschränkt werden etwa für den Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder personenbezogener Angaben.
"Fairer Ausgleich" oder "Placebo"?
Insgesamt baut die Regierung darauf, einen "fairen Ausgleich" zwischen den unterschiedlichen Beförderungsformen zu wahren. Es hagelt aber bereits Kritik von vielen Seiten. "Die Rückkehrpflicht zur Zentrale ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch unsinnig", moniert Maik Böres von BMW im Namen des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW). Neuartige Mobilitätsangebote mit Zukunftsvision seien mit dem Entwurf kaum wirtschaftlich umsetzbar.
Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi und Mietwagen, tat die Vorgaben für Plattformanbieter dagegen als "Placebo" und "Schildbürgerstreich" ab. Uber & Co würden nicht auf klare Sozialstandards geeicht. Da diese Dienste keine eigenen Fahrzeuge auf der Straße hätten, sondern über Partner agierten, greife auch die Genehmigungspflicht nicht. Berichten zufolge muss Scheuer angesichts verbliebener Rechtslücken nachsitzen: Er soll das Papier bis Ende Oktober überarbeiten, damit es das Bundeskabinett passieren kann.
(jk)