Fahren oder Laufen? Potenzieller Liefer-Roboter wählt Fortbewegung selbst

In Abhängigkeit vom Gelände wählt ein Roboter selbst, ob er fahren oder laufen soll. Das könnte ihm Vorteile als Lieferroboter verschaffen.

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Roboter mit Rädern geht Treppe herunter.

Der Roboter des ETH kann fahren oder gehen – je nach zu überwindendem Hindernis.

(Bild: Joonho Lee / ETH Zürich)

Lesezeit: 4 Min.

Ein Forschungsteam des Robotic System Lab der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) hat einen Roboter mit Beinen und Rädern entwickelt. Die Wissenschaftler haben ihm durch verstärkendes Lernen beigebracht, je nach Gelände zwischen Fahren und Laufen automatisch und nahtlos umzuschalten. Eingesetzt werden könnte ein solcher Roboter als Lieferroboter, der dadurch etwa im Vergleich zu seinen ausschließlich rollenden Kollegen auch Treppen und andere Hindernisse überwinden kann.

Der Rad-Bein-Bodenroboter setzt auf einen früheren, am ETH Zürich entwickelten Roboter auf, schreiben die Forscher in ihrem wissenschaftlichen Paper "Learning robust autonomous navigation and locomotion for wheeled-legged robots", das in Science Robotics erschienen ist. Diese frühere Version gewann 2021 die DARPA Subterranean Challenge. Die Forscher überarbeiteten das Design dieses Roboters stark, vereinfachten es und spedierten ihm ein fortschrittlicheres, auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Navigationssystem.

"Traditionell wurde die Navigationsplanung für Bodenroboter mit Online-Optimierungsmethoden durchgeführt", erklärt Jonhoo Lee, einer der Autoren der Studie. "Solche Ansätze funktionieren gut für einfache Radroboter oder langsam gehende Roboter, aber im Fall von sich schnell bewegenden Robotern wie dem unseren können sie keine ausreichend schnellen Navigationspläne liefern. Bei Robotern, die sich mit 2 m/s bewegen, können 0,5 Sekunden Verzögerung zu einem Fehler von 1 m führen, was eine katastrophale Kollision zur Folge haben kann."

Damit der Roboter bei hohen Geschwindigkeiten bis zu 20 km/h autonom navigieren kann, entwickelten die Wissenschaftler verschiedene hierarchische Verstärkungslerntechniken, die sie ausprobierten und bewerteten. Den besten Ansatz verwendeten sie dazu, um einen auf einem neuronalen Netz basierenden Controller zu trainieren. Der Controller kann verschiedene Arten von Eingaben verarbeiten und innerhalb von wenigen Millisekunden neue Navigationspläne für den Roboter erstellen.

Die neuronale Netzsteuerung kann die komplexe Dynamik von Robotern mit Beinen verstehen, sagt Lee. Entsprechend könne der Roboter auf verschiedenen Untergründen bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten sehr effizient navigieren. So nutzt der Rad-Bein-Roboter des ETH auf ebenen Untergründen seine Räder. Damit kann er sich rollend schneller fortbewegen – bei zugleich geringem Stromverbrauch. In schwierigerem Gelände mit Hindernissen, wie etwa Treppenstufen, wechselt er dann in einen Gehmodus.

Das von den Forschern entwickelte neuronale Netz verarbeitet dazu Daten, die die Sensoren des Roboters liefern. Dadurch kann die effizienteste Fortbewegungsmethode bestimmt und die Vorteile räderbasierter Roboter mit denen von Robotern auf Beinen kombiniert werden.

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"Roboter auf Rädern sind zwar effizient, können aber keine hohen Hindernisse überwinden", sagt Lee. "Andererseits sind Laufroboter sehr gut darin, Hindernisse und steile Hänge zu überwinden, aber ihre Effizienz ist sehr gering, weil sie mehr als 10 Gelenke in einem unregelmäßigen Muster bewegen müssen. Normalerweise können Laufroboter nur bis zu einer Stunde lang arbeiten. Mit den Radbeinen kann unser Roboter die gleichen Hindernisse überwinden wie ein normaler Laufroboter und dabei mindestens dreimal so lange arbeiten."

Insgesamt nutzt der Rad-Bein-Roboter zwei neuronale Netze. Das eine steuert ausschließlich die Bewegungen des Roboters. Das zweite konzentriert sich dagegen ausschließlich auf die Navigation. Das führt in der Kombination zu einem sehr robusten Gesamtsystem, das mit unwegsamem Gelände auch in labyrinthartigen Umgebungen zurechtkommt. Für die Entwicklung des Systems benötigten die Wissenschaftler weniger als ein Jahr.

Den Roboter testeten die Wissenschaftler des ETH Zürich in den beiden Städten Zürich und Sevilla, indem sie ihn durch eine reale Stadtumgebung fahren und laufen ließen. Über 10 km legte der Roboter dabei autonom zurück und konnte sich dabei auf unterschiedliche Geländeformationen automatisch einstellen.

Die Forscher wollen das System nun weiter verbessern. Sie sehen als vielversprechendste Anwendung des Roboters die autonome Lieferung von Waren. Der Roboter kann nahezu jedes Hindernis überwinden, sodass Kunden nicht erst zu speziellem Abholpunkten gehen müssen, wie bei herkömmlichen Lieferrobotern, die mit ihren Rädern etwa keine Treppen überwinden und damit nicht jede Haustür erreichen können.

(olb)