"Fair Share": Italien und Digital-Lobby fordern endgültiges Aus für Datenmaut
Tech-Verbände appellieren an die EU-Staaten, "Netzgebühren ein für alle Mal strikt abzulehnen". Auch die italienische Regierung will das Thema vom Tisch haben.
Im Vorfeld eines informellen Treffens der für Telekommunikation und Digitalisierung zuständigen EU-Minister wächst der Druck auf die Runde, die von der EU-Kommission geplante Infrastrukturabgabe für große Plattformbetreiber wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix für den Glasfaser- und 5G-Ausbau endgültig zu beerdigen. Das Treffen soll am Montag und Dienstag im spanischen León stattfinden. So fordern Digitalverbände wie die Computer & Communications Industry Association (CCIA), nationale Vereinigungen aus Frankreich, Irland und Polen sowie der französische Netzknoten France-IX in einem offenen Brief "alle europäischen Regierungen auf, Netzgebühren ein für alle Mal strikt abzulehnen und dafür zu sorgen, dass sie in der künftigen Gesetzgebung nicht berücksichtigt werden".
Netzentgelte mit "vorhersehbar negativen Folgen"
Die jüngst publizierten Ergebnisse der Konsultation der Kommission bestätigten, "dass die überwiegende Mehrheit der Befragten und Branchen entschieden gegen die Einführung von Netzentgelten ist", heißt es in dem Schreiben. Zudem würden damit auch "die vielen vorhersehbaren negativen Folgen" einer Datenmaut für Europa noch einmal deutlich. Die Debatte dauere in ihrer aktuellen Form mittlerweile fast zwei Jahre an. Bisher hätten die Befürworter eine Big-Tech-Kostenbeteiligung aber "keine stichhaltigen Beweise dafür vorgelegt, wo das Problem wirklich liegt". Wirtschaftsanalysen hätten dagegen mehrfach bekräftigt, dass Eingriffe in das Internet-Ökosystem "unnötig, wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen und wahrscheinlich der Wirtschaft und dem Grundsatz der Netzneutralität schaden".
Europäische Verbraucher und Unternehmen würden laut den Gegnern der "Fair Share"-Initiative letztlich "unter neuen Gebühren leiden, die dieselben Netzwerkinvestitionen subventionierten, die sie bereits über ihre Abonnements bezahlen". Die Kommission dürfe den Vorschlag daher auch nicht mit dem angekündigten Digital Networks Act (DNA) erneut aufzuwärmen versuchen, mit dem die Brüsseler Regierungsinstitution voraussichtlich eine Vergütung der Netzbetreiber in einen größeren Kontext unter anderen Vorzeichen einbetten will.
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Derzeit Mehrheit gegen Gebühren
Berichten zufolge will die italienische Regierung bei der Ministertagung Anfang der Woche ihre Position zu dem Vorschlag für eine Netzwerksteuer festzurren und diesen voraussichtlich in seiner bisherigen Form ablehnen. Die Kommission soll demnach eine umfassendere Reform des europäischen Telekommunikationsmarktes angehen. Bereits im August hatte Innovationsstaatssekretär Alessio Butti einen Brief an den EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton geschickt und eine einschlägige Gesetzesinitiative als "verfrüht" angesichts fehlender "zuverlässiger Daten" bezeichnet. Einem umfassender ausgerichteten DNA steht Italien aber offen gegenüber.
Die Internet Society (ISOC) untersuchte derweil die Resultate der Konsultation der Kommission anhand der eigentlichen Datenblätter genauer. Demnach waren nur 52 der Teilnehmer für eine Infrastrukturabgabe und 227 dagegen bei 158 Enthaltungen. "Daraus ergibt sich, dass nur 12 Prozent aller Befragten die Idee ausdrücklich befürworten und 52 Prozent sie ausdrücklich ablehnen." Zähle man nur die Ja- oder Nein-Stimmen, seien 19 Prozent dafür und 81 Prozent dagegen. Die Kommission schrieb in ihrer Zusammenfassung nur vage, "die Mehrheit" der Teilnehmer habe sich gegen einen obligatorischen Mechanismus direkter Zahlungen zur Finanzierung des Netzausbaus ausgesprochen. Telekommunikationsfirmen seien indes dafür. Der ISOC zufolge haben aber auch unter diesen elf Anbieter (22 Prozent) den Beteiligungsansatz klar zurückgewiesen. Dafür gewesen seien 20 große Netzbetreiber (39 Prozent).
(tiw)