Fehlendes Angebot? Kasse und Ärzte streiten über Videosprechstunden

Die Techniker Krankenkasse fordert, die Videobehandlung flächendeckend einzuführen. Die Freie Ärzteschaft widerspricht vehement und warnt vor unterstem Niveau.

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(Bild: tingsriton chairat/Shutterstock.com)

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Der mit der Corona-Pandemie entstandene Trend zu Videosprechstunden ist rückläufig. 2022 habe der Boom mit 717.000 bei ihr abgerechneten Digitalbehandlungen abrupt geendet, erklärte die Techniker Krankenkasse (TK) vorige Woche. Im Jahr zuvor seien es noch 956.000 gewesen und damit 25 Prozent mehr. Der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas bedauert dies und verlangt, "dass digitale Angebote wie die Videosprechstunde auch langfristig eine selbstverständliche Option für die ärztliche Behandlung werden". Patienten sparten durch solche Behandlungen Anfahrtswege, Zeit im Wartezimmer und seien einem geringeren Ansteckungsrisiko ausgesetzt.

Dass die Online-Sprechstunde noch nicht flächendeckend angekommen ist, zeigt laut der TK eine repräsentative Forsa-Umfrage in ihrem Auftrag: Nur acht Prozent der Teilnehmer haben demnach bisher mit einem Arzt per Video gesprochen. Von diesen haben wiederum nur drei Prozent mehrfach von dem digitalen Angebot Gebrauch gemacht. Knapp die Hälfte der Bundesbürger sei prinzipiell an Videosprechstunden interessiert, in ihrer Praxis würden diese aber nicht angeboten. 55 Prozent wüssten zudem nicht, wie und wo sie einen Termin vereinbaren könnten. Baas begrüßte daher das Vorhaben des Gesundheitsministeriums, die seit April 2022 wieder geltende Grenze endgültig aufzuheben, wonach Ärzte und Psychotherapeuten nur 30 Prozent ihrer Patienten ausschließlich per Video behandeln dürfen.

Die Freie Ärzteschaft (FÄ), die vor allem niedergelassene Haus- und Fachärzte vertritt, reagierte am Dienstag mit Unverständnis: Ihrer Ansicht nach wird "mit der massiven Forderung nach Videosprechstunden lediglich ein Kostensparmodell gepusht, um Arzt-Patienten-Kontakte zu reduzieren". Angesichts des zunehmenden Mangels an praktizierenden Medizinern werde eine Scheinlösung präsentiert "mit reduzierter Behandlungsqualität zulasten der Patienten". Videosprechstunden dauerten erfahrungsgemäß zwei- bis dreimal so lange wie ein Termin vor Ort in der Praxis – bei gleichzeitig viel unsichereren Ergebnissen.

Längst sei nach dem Aufheben der Corona-Maßnahmen wieder der Praxisalltag eingekehrt, erläutert der FÄ-Vorsitzende Wieland Dietrich. Es gebe keinen "regelhaften Grund" mehr, Patienten aus der Ferne zu behandeln – "ohne Chance auf körperliche Untersuchungen" und damit auf unterstem Niveau. Er gehe fest davon aus, dass das Interesse an Videoterminen im ersten Halbjahr 2023 noch einmal deutlich gesunken sei. Im Einklang mit der ärztlichen Berufsordnung könne eine Videoberatung allenfalls in Einzelfällen sinnvoll sein. Die Entscheidung dazu müsse allein den Mediziner und auch deren Patienten obliegen – "ohne jeglichen Kosten- oder gar politischen Druck".

(olb)