Feinstaubbelastung übersteigt überall auf der Welt die WHO-Richtlinienwerte
Feinstaub wird für Millionen vorzeitiger Tode verantwortlich gemacht. Nur in wenigen Städten wurden 2021 die von der WHO gesetzten Grenzwerte unterschritten.
In keinem Land auf der Welt werden die Qualitätsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Feinstaubbelastung nach PM2,5 eingehalten. Zu diesem Schluss kommt das Schweizer Unternehmen IQAir, das auf Luftqualität spezialisiert ist, in ihrem neuesten Bericht für das Jahr 2021. Es hat dafür nach eigenen Angaben die Ergebnisse von Messstationen aus 6475 Städten in 117 Ländern ausgewertet.
Die WHO sieht Luftverschmutzung neben dem Klimawandel als eine der größten umweltbezogenen Bedrohungen für die menschliche Gesundheit an. Ihren im September 2021 überarbeiteten Richtlinien nach sollten im Tagesmittel 5 µg/m³ PM2,5 nicht überschritten werden. Dies sei im vergangenen Jahr nur in drei Prozent der Städte der Fall gewesen.
PM2,5 bezeichnet die maximale Partikelgröße des Feinstaubs in Mikrometern. Partikel dieser Größe können bis in die Lungenbläschen gelangen. Sie sind höchstens so groß wie Bakterien und können daher mit freiem Auge nicht gesehen werden. Feinstaub gilt als wichtiger Faktor für Erkrankungen wie Asthma und andere Lungenerkrankungen, Schlaganfall und Herzerkrankungen.
Schmutziges Berlin
Die im September 2021 von der WHO neu aufgestellten Luftgütekriterien sind laut dem World Air Quality Report (PDF) lediglich in Neukaledonien, den Jungferninseln und in Puerto Rico erfüllt worden, ebenso in 222 der beobachteten Städte. In 93 Städten überstiegen die Konzentrationen die Empfehlungen um das 10-fache. Von 174 Städten Lateinamerikas und der Karibik erfüllten haben 12 oder 7 Prozent die PM2.5-Richtlinien der WHO erfüllt, von 65 afrikanischen eine und von 1887 asiatischen Städten vier.
Von den 1588 Städten in Europa erfüllten 55 oder 3 Prozent die PM2,5-Richtlinien der WHO. In 2408 Städten in den USA stieg die durchschnittlichen PM2,5-Konzentrationen von 9,6 μg/m3 im Jahr 2020 auf 10,3 μg/m3 im Jahr 2021. Von den großen Städten in den Vereinigten Staaten war Los Angeles die am stärksten verschmutzte. Dort ging aber die Feinstaubbelastung um 6 Prozent zurück.
Die fünf am stärksten belasteten Länder im Jahr 2021 waren Bangladesch mit einer PM2,5-Konzentration von 76,9 μg/m3, Tschad (75,9), Pakistan (66,8), Tadschikistan (59,4) und Indien (58,1). Neu-Delhi in Indien ist laut IQAir zum vierten Mal in Folge die am stärksten verschmutzte Hauptstadt der Welt, gefolgt von Dhaka (Bangladesch), N'Djamena (Tschadschad), Duschanbe (Tadschikistan) und Maskat (Oman). Deutschland kommt im Länder-Ranking mit 10,6 μg/m3 auf den 89. Platz; Berlin ist mit 12,5 μg/m3 die am stärksten mit Feinstaub belastete Stadt Deutschlands.
Fehlende Messstationen
In China verbesserte sich die Luftqualität 2021 weiter. Mehr als die Hälfte der in dem Bericht dort berücksichtigten Städte verzeichnete im Vergleich zum Vorjahr eine geringere Luftverschmutzung. In Peking setzte sich ein fünfjähriger Trend der verbesserten Luftqualität fort. Dort würden verstärkt Emissionen kontrolliert und Emissionen aus Kohlekraftwerken und anderer Industrien reduziert.
In Zentral- und Südasien lagen voriges Jahr 46 der 50 am stärksten verschmutzten Städte der Welt. Die einzigen beiden Städte, die die aktualisierte PM2,5-Richtlinie der WHO erfüllten, waren Schesqasghan und Schu in Kasachstan. In Afrika, Südamerika und im Nahen Osten ist das Luftmessnetzwerk dünner, obwohl durch kostengünstige Luftqualitätssensoren, die oft von gemeinnützigen Organisationen und Bürgerwissenschaftlern betrieben werden, Fortschritte erzielt wurden, schreibt IQAir. Von den 6475 Messstationen würden 44 von Behörden betrieben, der Rest privat von Wissenschaftlern, gemeinnützigen Organisationen und Unternehmen. IQAir kooperiert unter anderem mit dem Umweltprogramm der UN (UNEP) und Greenpeace.
Wichtige vom Menschen verursachte Feinstaubquellen sind Kraftfahrzeuge, Kraft- und Fernheizwerke, Abfallverbrennungsanlagen, Öfen und Heizungen in Wohnhäusern, der Schüttgutumschlag sowie bestimmte Industrieprozesse, erläutert das Umweltbundesamt. In Ballungsgebieten seien insbesondere der Straßenverkehr und Bautätigkeiten bedeutende Feinstaubquellen. Dabei gelangt Feinstaub nicht nur aus Motoren in die Luft, sondern auch durch Bremsen-, Reifen- und Fahrbahnabrieb sowie durch die Aufwirbelung des Staubes auf der Straßenoberfläche. In der Landwirtschaft tragen vor allem die Emissionen gasförmiger Vorläuferstoffe aus der Tierhaltung tragen zur Sekundärstaubbelastung bei. Natürliche Quellen für Feinstaub sind Emissionen aus Vulkanen und Meeren, die Bodenerosion, Wald- und Buschfeuer sowie biogene Aerosole wie Viren, Sporen von Bakterien und Pilzen.
(anw)