Festplatten: Vorsicht Gebrauchtware!

Der Handel mit Festplatten macht wenig Spaß - die Margen sind schon lange im Keller. Um trotzdem noch einen guten Profit zu machen, kommen einige Marktteilnehmer auf fragwürdige Ideen.

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Von
  • Georg Schnurer

Nachdem sich bei einer Testkaufaktion als neu verkaufte Festplatten des Typs Seagate ST3400832A reihenweise als uralte Gebrauchtware entpuppt hatten, verfolgten wir den Handelsweg der Ware zurück. Die meisten Händler und Distributoren waren durchaus dankbar für unsere Hinweise. Bereitwillig unterstützte man uns dabei, die Handelskette aufzurollen. Schließlich, so erklärte uns ein Zwischenhändler, liege ihm nichts daran, schwarze Schafe im Handel zu decken. Einige wenige Unternehmen wollten aber partout nichts zu den Vorgängen sagen. Ob aus fragwürdiger Solidarität oder um bewusst Betrüger zu schützen, können wir nicht beurteilen.

Unsere Spurensuche endete letztlich bei drei Unternehmen. Die Firma "tobra", ein Restpostenvermarkter aus Emmelshausen, ließ uns durch Oliver Braun, zuständig für den Verkauf der Festplatten, wissen, dass man sich momentan nicht zur Sache äußern wolle. Selbstverständlich würden Reklamationen von Kunden "gemäß der geltenden Gewährleistungsvorschriften beziehungsweise gemäß der gegebenenfalls mit dem Kunden getroffenen speziellen Vereinbarungen" abgewickelt. Da die gesetzliche Gewährleistung bei Geschäften zwischen Händlern nicht greift, hätten uns – und sicher auch viele Händler – diese "speziellen Vereinbarungen" natürlich schon interessiert. Schließlich bleibt der Händler im Zweifelsfall auf den Reklamationen der Kunden sitzen und muss den Schaden aus eigener Tasche bezahlen.

Bei der Heuer GmbH, einem Hardware-Distributor aus Uelzen, wollte man nur unter der Bedingung etwas über die Vorlieferanten verraten, wenn klar erwiesen sei, dass die verkauften Platten tatsächlich gebraucht waren. Nachdem der geforderte Beweis durch entsprechende Rückmeldungen von Händlern erbracht worden war, ging die Heuer GmbH aber auf Tauchstation: Christian Zienau, Sales Manager und bislang unser Ansprechpartner für den Fall, war plötzlich nicht mehr zu erreichen und reagierte auch nicht mehr auf schriftliche Nachfragen.

Großer Name

Die größte Überraschung für uns war allerdings der dritte Lieferant: Auch Bell Micro, ein großer Distributor und obendrein auch noch offizieller Partner von Seagate, hatte gebrauchte "ST3400832A"-Laufwerke an Händler verkauft. Das sei mit Wissen und Billigung von Seagate erfolgt, beteuerte Paul Mehl, Country Manager Deutschland bei Bell Micro. Bei den Festplatten handele es sich laut Mehl um wiederaufgearbeitete Laufwerke, die von der Firma Horizon aus den USA erworben wurden. Die Platten seien nach Seagate-Standards überarbeitet worden und würden nun als "Recertified" bezeichnet. Alle von Bell Micro gelieferten Platten seien entsprechend gekennzeichnet. Obendrein habe man alle Händler mit einem "Side Letter" über den Zustand der Platten informiert.

Eindeutig gekennzeichnet? Wohl kaum. Alles was die obere "Recertified"-Platte von einer regulären unterscheidet, ist dieser kleine Aufkleber

Ist also alles in Ordnung? Wohl kaum. Denn Rückfragen bei den von uns ausfindig gemachten und von Bell Micro belieferten Händlern ergeben ein völlig anderes Bild: Übereinstimmend wurde uns berichtet, dass die Platten stets als "neu" verkauft worden seien. Einen "Side-Letter" konnte keiner der befragten Händler in seinen Unterlagen entdecken. Zudem hegen wir Zweifel an der "eindeutigen Kennzeichnung" der von Bell Micro in den Handel gebrachten Laufwerke: Aus unseren Testkäufen lässt sich eine Platte klar einer Bell-Micro-Lieferung zuordnen. Dieses Laufwerk trägt das übliche Seagate-Typenschild und ist in der Seagate-Datenbank als Platte aus dem Jahr 2005 mit einer Restgarantie bis zum 27. Februar 2010 aufzufinden. Nirgendwo ist "Recertified" zu lesen. Der einzige Unterschied zu regulären Seagate-Festplatten besteht äußerlich aus einem kleinen Aufkleber mit dem Wort "Pass" an der Laufwerksrückseite. Eine "eindeutige Kennzeichnung" sieht anders aus.

Auf Rückfrage bestätigte uns Regina Israel von der Seagate-Presseabteilung zwar, dass tatsächlich wiederaufgearbeitete Seagate-Platten in den Handel kommen können. Allerdings seien diese eindeutig als solche zu erkennen. Seagate und die autorisierten Wiederaufarbeitungspartner würden solche Laufwerke mit einem neuen, manipulationssicheren Typenschild versehen. Darauf stehe deutlich erkennbar "refurbished".

Bei den betroffenen Laufwerken handele es sich aber nicht um solche, nach Seagate-Richtlinien wiederaufgearbeitete Festplatten, sondern um ganz normale gebrauchte Laufwerke mit Restgarantie – ein klarer Widerspruch zur Aussage des Bell-Micro-Managers Mehl.

Eingelenkt

Konfrontiert mit den Aussagen von Seagate und den Händlern, die bei Bell Micro die gebrauchten Festplatten erworben hatten, beharrte Mehl zunächst auf seiner Position. Er habe volles Vertrauen zu seinen Mitarbeitern und zu seinem Lieferanten. Immerhin konnten wir den Bell-Micro-Manager zu einer Überprüfung der noch vorhandenen Lagerbestände bewegen – und siehe da: Wenig später musste Mehl einräumen, dass die verkauften Laufwerke tatsächlich nicht als "refurbished" oder "recertified" gekennzeichnet sind.

Einen Fehler von Bell Micro wollte Manager Mehl allerdings nach wie vor nicht einräumen. Die Händler wüssten, was sie da kauften. Mit dem Lieferanten habe er ein ernstes Wort geredet und veranlasst, dass künftige Lieferungen im Wareneingang explizit auf korrekte Kennzeichnung geprüft würden. Vielleicht sollten Händler künftig dasselbe tun, wenn sie wieder einmal Festplatten von Bell Micro geliefert bekommen. (gs)