Filter blockieren mehr, als sie sollen

Bei einer Überprüfung des in den USA an Schulen am häufigsten gebrauchten Filterprogramms zeigte sich wieder einmal deren Mangelhaftigkeit.

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Von
  • Florian Rötzer

Während eine Kommission des US-Kongresses gerade Filter mehr oder weniger abgelehnt hat und eine neue Studie wieder einmal die Fehlerhaftigkeit von Filtern erweist, drängt Bertelsmann auf die Einführung von Filtern an deutschen Schulen. In dem zusammen mit Experten entwickelten Leitfaden für einen verantwortungsvollen Einsatz des Internet an Schulen schreibt die Bertelsmann Stiftung: "In Kombination mit anderen medienpädagogischen Maßnahmen und Verhaltensrichtlinien eignet sich ein ausgereiftes, auf Selbstregulierung setzendes Filtersystem gut, um den verantwortlichen Umgang mit dem Internet an Schulen sicherzustellen."

Eine vom US-Kongress eingesetzte Kommission beurteilte Filter für öffentliche Schulen und Bibliotheken hingegen als nicht effektiv. Hauptpunkt der Kritik ist die Tendenz dieser Zensurprogramme, auch den Zugriff auf Seiten zu blockieren, auf denen weder Sex noch Gewalttätiges enthalten sind. Auch die Gründung einer eigenen Top Level Domain für Pornografie wurde abgelehnt, weil dadurch nicht automatisch gesichert sei, dass die Anbieter von Pornografie sie auch tatsächlich nutzen würden.

Unterstützt wird die Kritik der Kommission nun durch eine weitere Untersuchung, die am Dienstag in den USA von Peacefire und EPIC veröffentlicht worden ist. Jamie McCarthy von Peacefire, einer Organisation, die regelmäßig Filter auf ihre Fehler überprüft, hatte sich vor allem mit dem an US-Schulen am weitesten verbreiteten Filterprogramm Bess von N2H2 beschäftigt und es an Seiten getestet, auf denen es um politische Informationen geht, also um Angebote, die verfassungsrechtlich als besonders schützenswert gelten. Eingestellt wurde die Auswahl auf "Typical School Filtering".

Blockiert wurden nach Auskunft von McCarthy zahlreiche solcher politischen Seiten, darunter die der konservativen "Traditional Values Coalition", die sich ausgerechnet für Filterprogramme einsetzt, ein Verein, der Hillary Clintons politische Karriere fördern will, und selbst "Herb's Utah Pictures", eine Website mit zahlreichen Fotos aus verschiedenen amerikanischen National Parks. Blockiert wurden auch Webseiten von Schulen, wo es beispielsweise über "American Government and Politics" geht, Opfer ist aber auch eine Seite aus Malaysia geworden: "People Are The Boss". Dabei handle es sich, so McCarthy ironisch, um die Homepage einer politischen Gruppe, die eine demokratische Kontrolle der Regierung fordert: "Wir wissen nicht, ob diese Webseite von Malaysia blockiert wird, aber wir wissen, dass sie für amerikanische Schulen blockiert ist."

Allen Goldblatt, der Sprecher von N2H2, entgegnete auf die Kritik, dass die blockierten Seiten kostenlos von Providern erhältliche Homepages seien – und da würden Schulen gerne darum bitten, diese auch in die Liste zum Blockieren aufzunehmen: "Viele Menschen glauben, beim Filtern gehe es nur um Pornographie, aber es geht um viel mehr als das." Ken Collins, verantwortlich für die zu blockierenden Inhalte, sieht das ein wenig anders, aber auch nicht als Problem des Filters. Die Schulen, so sagt er, könnten selbst entscheiden, welche Kategorien sie blockieren wollen. Zu den 42 Kategorien von N2H2 gehören etwa die erwähnten kostenlosen Homepages, Mord/Selbstmord oder Unterwäsche. Eine allgemeine Kritik also am Filter, die von einem typischen Gebrauch ausgehe, gäbe es daher nicht. (Ernst Corinth)

Mehr in Telepolis: Die seltsamen Blockaden der Internetfilter.

Die c't-Redaktion testet derzeit die für den deutschen Markt angebotenen Internet-Filterprogramme. Der ausführliche Bericht erscheint in c't 23/00 (ab 6. November im Handel). (fr)