Finanzieller Albtraum statt "Schwarzer Null"

Als die Planungen für die erste deutsche Weltausstellung begannen, war die Rede von einer "Schwarzen Null". Das Projekt hat sich aber zu einem finanziellen Albtraum entwickelt.

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Von
  • Hartwig von Saß
  • dpa

Expo-Chefin Birgit Breuel überlegt nicht lange, wenn sie nach den nicht eingelösten Versprechen der Weltausstellung gefragt wird: "Die 40 Millionen verkauften Eintrittskarten." Als vor rund zehn Jahren die Planungen für die erste deutsche Weltausstellung in Hannover begannen, war die Rede von einer "Schwarzen Null". Das "Projekt Expo 2000" hat sich aber im Verlauf der fünfmonatigen Veranstaltung zu einem finanziellen Albtraum entwickelt. Wenn in weniger als einer Woche die Expo endet und zwischen 17 und 18 Millionen Menschen Eintritt gezahlt haben, hinterlässt die Expo-Gesellschaft einen Schuldenberg von rund 2,4 Milliarden Mark. Der Steuerzahler wird zur Kasse gebeten.

Der Knackpunkt der Expo-Finanzen – Breuel spricht von "Risiko" – waren von vorn herein die angestrebten 40 Millionen Besucher. Und am Ende der Expo zeigt sich, dass die Macher der Weltausstellung mit nahezu allen Voraussagen zum Besucherverhalten daneben lagen. Es kamen weniger als die Hälfte, sie kamen zu anderen Tageszeiten, verhielten sich auf dem Gelände anders, gingen schneller durch die Pavillons und gaben ihr Geld anders aus. Und sie brachten Rucksäcke mit Butterbroten mit, weil in den ersten Tagen ein Bratwurstpreis von neun Mark durch den deutschen Blätterwald rauschte.

Eigentlich wollte die Expo in ihrem 3,4-Milliarden-Mark-Etat pro Ticket 45 Mark einnehmen. Allein dieser Posten hätte auf der Einnahmeseite 1,8 Milliarden Mark ausgemacht. Hinzu kamen die Ziele für Parkplatzgebühren und Aufschläge an den Tageskassen. Alle beruhten sie auf 40 Millionen Expo-Besuchern. Mehrere Marktanalysen und selbst unabhängige Umfragen kurz vor Beginn der Weltausstellung hielten das Ziel zumindest für möglich. Der Reiseveranstalter TUI ermittelte im Februar 2000 noch 32,4 Millionen Besucher allein aus dem Inland. Zweifler gab es immer, nur hatten sie nichts Greifbares in der Hand und mussten sich von den immer mehr werdenden Expo- Befürwortern substanzloses Nörgeln vorwerfen lassen.

Sie sollten aber Recht behalten. Jeder Tag in den ersten sechs Wochen Expo mit schwachem Besuch machte das Ziel von 40 Millionen mehr und mehr zur Illusion. Die Schere zwischen tatsächlichen Gästen und den haarklein für jeden Tag ermittelten Soll-Werten auf der "Besucherganglinie" wurde immer größer. Die Besuchshemmer wurden am 7. Juli vom Aufsichtsrat ausgemacht – und gekippt: Parken war von da an umsonst; das Abendticket kostete statt 24 nur noch 15 Mark; Senioren kamen für 49 Mark aufs Gelände; Aufschläge an den Tageskassen gab es fortan nicht mehr. Zwar zog der Besuch langsam an. Die Entscheidungen ließen den Erlös pro Karte aber von kalkulierten 45 Mark auf etwa 31 Mark fallen.

Statt der 1,8 Milliarden Mark sind jetzt noch rund 530 Millionen Mark an Einnahmen aus den Tickets realistisch. Bei den Parkplätzen fehlen rund 100 Millionen Mark. Immer wieder taten sich neue Löcher auf. Weniger Besucher trinken und essen weniger. Die niedrige Besucherzahl trieb auch die verbuchbaren Zahlen aus dem Souvenirverkauf in den Keller. Mit dem Münchner Unternehmen EM.TV einigte man sich auf einen Festbetrag pro Expo-Besucher – egal ober er mit Twipsy in der Tasche nach Haus ging oder nicht. Statt 50 Millionen rechnet die Expo jetzt nur noch rund zwölf Twipsy-Millionen. Ein weiteres Geld-Loch hatte sich schon vor der Expo aufgetan. Die Wirtschaft engagierte sich nicht in dem angestrebten Umfang – trotz mehrerer Kanzlerrunden. Geplant waren 955 Millionen Mark. Es werden jetzt rund 540 Millionen sein.

Bund und Land Niedersachsen als einzig haftende Gesellschafter der Expo tragen die Schulden – 50 zu 50 ist bislang abgemacht. Niedersachsen will aber eine andere Verteilung erreichen und argumentiert, die Weltausstellung sei eine nationale Veranstaltung, deshalb müsse der Bund auch den Löwenanteil tragen. Zwei Drittel heißt die Ziellinie von Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel. Expo-Chefin Breuel treibt unterdessen etwas anderes um: "Ich hätte es der Politik gern vorher gesagt und nicht erst hinterher. Dass es jetzt so kommt, ist schon ein Punkt, der mir zu schaffen macht." (Hartwig von Saß, dpa) (jk)