Finanzminister Steinbrück: "Die Welt wird nicht wieder so werden wie vor dieser Krise"

Steinbrück kritisiert in seiner Regierungserklärung zur Finanzkrise das anglo-amerikansische Laissez-faire-Prinzip und fordert eine stärkere staatliche Regulierung der Finanzmärkte.

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Bundesfinanzminister Steinbrück warnte heute in einer Regierungserklärung Zur Lage der Finanzmärkte im Bundestag davor, dass die von den USA mangels ausreichender Kontrollen ausgelöste Finanzkrise große Veränderungen und zumindest vorübergehend ein weiter zurückgehendes Wirtschaftswachstum mit sich bringen werde:

"Diese ernste globale Finanzmarktkrise wird tiefe Spuren hinterlassen. Sie wird das Weltfinanzsystem tief greifend umwälzen. Niemand sollte sich täuschen: Die Welt wird nicht wieder so werden wie vor dieser Krise. Wir müssen uns in nächster Zeit weltweit auf niedrigere Wachstumsraten und - zeitlich verschoben – eine ungünstigere Entwicklung auf den Arbeitsmärkten einstellen."

Steinbrück sieht die Ursache in einem unkontrollierten Finanzsystem, das im Wesentlichen von den USA und Großbritannien geschaffen wurde, die Subprime-Krise sei nur der Auslöser gewesen:

"Die eigentlichen Ursachen liegen jedoch tiefer – nämlich in einer aus meiner Sicht unverantwortlichen Überhöhung des „laissez-faire“-Prinzips, also dem von staatlicher Regulierung möglichst vollständig befreiten Spiel der Marktkräfte im anglo-amerikanischen Finanzmarktsystem."

Kritik an diesem System, die von der Bundesregierung während der deutschen G7- und EU-Präsidentschaft gekommen, aber auch schon während der Schröder-Regierung geäußert worden sei, sei anglo-amerikanischer Seite belächelt worden. Jetzt, so soll das heißen, zeigt sich doch, wie richtig man mit der Forderung nach Regulierungen gelegen habe.

Deutschland sei aber weit weniger von der Krise betroffen als die USA, versuchte der SPD-Finanzminister zu beruhigen, auch wenn es derzeit noch abzusehen sei, wann die Krise beendet sein werde. Einen "Super-Gau" habe man bisher verhindern können. Klar jedoch sei, dass die USA auch in als Supermacht auf den Finanzmärkten Einbußen erleiden müsse:

"Die USA werden ihren Status als Supermacht des Weltfinanzsystems verlieren. Das Weltfinanzsystem wird multipolarer."

Steinbrück suchte denn auch, die Stützungsmaßnahmen der Bundesregierung für die IKB "in Höhe von 1,2 Mrd. € (und einer Bürgschaft von 600 Mio. €, deren Fälligkeit unwahrscheinlich ist)", als Peanuts angesichts der von der US-Regierung bereits geleisteten und geplanten Maßnahmen von mehr als einer Billion US-Dollar darzustellen. Zwar werden auch das deutsche Bakensystem von der Krise betroffen, es habe sich aber als "robust" erwiesen, zudem gebe es hier noch keine "Kreditklemme". Man habe hier bei der IKB, Sachsen LB, Bayern LB und West LB schon längst im entsprechenden Rahmen vollzogen, was die US-Regierung nun mit ihrem gigantischen Rettungsprogramm leisten will. Deswegen undw eil das Problem vor allem ein amerikanisches sei, werde man dabei auch nicht mitmachen.

Zur Verhinderung ähnlicher Krisen schlägt der Finanzminister eine "Zivilisierung" der internationalen und europäischen Finanzmärkte vor. Selbstverpflichtungen und Selbstregulierungen reichen dafür nicht aus. Für Steinbrück geht aus der Krise die Notwendigkeit stärkeren staatlichen Handelns hervor: "Diese neuen Verkehrsregeln, an denen wir im G7- wie auch im europäischen Bereich bereits intensiv arbeiten, können nur handlungsfähige staatliche Institutionen, die sich international koordinieren, wirksam setzen und durchsetzen. Und zwar zum Wohle aller: der strauchelnden Finanzinstitute genauso wie der Privateinleger, die sich zurecht nach mehr staatlicher Sicherheit auf den Finanzmärkten sehnen."

Steinbrücks konkrete Vorschläge: Risikien durch "Finanzinnovationen" dürfen nicht mehr aus den Bilanzen herausgehalten werden, die Banken brauchen eine größere Liquiditätsvorsorge, international müssten Standards für eine persönliche Haftung entwickelt werden, das "wahnsinnige Streben nach immer höherer Rendite" müsse beendet werden, spekulative Leerkäufe sollte man ganz verbieten, internationale Gremien müssten enger zusammenarbeiten, und Banken sollen Kreditrisiken nicht mehr zu 100 Prozent verbriefen du weitergeben dürfen, sondern bis zu 20 Prozent behalten.