Fleisch und Wurst per Mausklick

Das 279-Einwohner-Dorf Oberhambach gilt als erste Internet-Gemeinde Deutschlands.

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Von
  • Thomas Struk
  • dpa

Einen Computer wünscht sich in der kleinen rheinland-pfälzischen Gemeinde Oberhambach (Landkreis Birkenfeld) zu Weihnachten niemand mehr: Knapp zwei Wochen vor dem Fest steht in fast jedem der etwa 120 Haushalte ein multimediafähiger Rechner. Das 279-Einwohner-Dorf in der Nähe von Idar-Oberstein gilt als erste Internet-Gemeinde Deutschlands. Ein Jahr lang können die Dorfbewohner kostenlos im Internet surfen und sich dabei Lebensmittel aus der zwölf Kilometer entfernt liegenden Kreisstadt Birkenfeld bestellen. Seit Mitte der 60er Jahre gibt es in dem Dorf keinen Einkaufsladen mehr, und auch die Gaststätten – abgesehen von der "Glockenstube" – haben mittlerweile dicht gemacht.

Einen Tag nachdem Computer und ISDN-Anlagen verteilt wurden, macht sich in Oberhambach aber noch keine Internet-Euphorie breit. "Wir müssen erst einmal abwarten und ins Internet reinkucken", sagt der 67-jährige Kurt Mayer, dessen neuer Rechner noch unberührt auf dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers steht. "Das ist wie mit einem Bonbon, das man erst einmal schmecken muss."

Kommende Woche ist Mayers Computer online. Schüler – so genannte IT-Scouts – werden die Rechner anschließen und Mayer und den anderen Dorfbewohnern während des einjährigen Projekts mit Rat und Tat zur Seite stehen. Initiator des "vernetzten Dorfs" ist der gemeinnützige Verein "BIR inform" aus Birkenfeld, den die Landesregierung für sein Internet-Projekt mit 300 000 Mark auszeichnete.

Während der Weihnachtszeit sollen sich die Bewohner mit den von einer Computerfirma kostenlos gelieferten Rechnern vertraut machen und dann zu Beginn des neues Jahres das Internet entdecken, hofft "BIR inform"-Geschäftsführer Dirk Schmitt. Bis Mitte Januar werde eine Internet-Seite mit virtueller Einkaufsstadt und Rathaus aufgebaut, die die Oberhambacher mit rund 30 Geschäften und Behörden verbindet. Doch schon jetzt bekommt Schmitt jeden Tag zahlreiche Anfragen, welche Möglichkeiten das für viele Dorfbewohner noch unbekannte Internet bietet. Einige Menschen hätten das Projekt allerdings von vornherein abgelehnt, sagt Schmitt. "In meinem Alter will ich mich mit dieser Technik nicht mehr auseinander setzen", hieß es in rund 20 Haushalten.

Dabei sind es gerade die älteren Menschen, deren Internet-Nutzung im Mittelpunkt von Schmitts Interesse steht. Mit Umfragen soll alle drei Monate überprüft werden, wie sie die neue Technik annehmen und ob das Internet in der ländlichen Region überhaupt eine Chance hat. Zumindest eine Hürde für die Nutzung des neuen Mediums – die Kosten – haben die Projekt-Initiatoren mit Hilfe von Sponsoren aus dem Weg geräumt.

Der stellvertretende Bürgermeister von Oberhambach, der 69-jährige Alfred Gisch, sieht das Projekt als "auf jeden Fall vorteilhaft" an. Ob er sich Fleisch und Wurst demnächst im Internet bei seinem Metzger bestellen wird und ausliefern lässt, glaubt er aber nicht: "Es ist doch besser, wenn man das Fleisch beim Kauf selbst sieht." Bei der Kreissparkasse will er aber schon das eine oder andere Geschäft online erledigen. Wegen der schlechten Busverbindungen haben sich viele Oberhambacher bisher von Bekannten oder Verwandten ihre Lebensmittel besorgen lassen. Ob sie dies demnächst per Mausklick erledigen, weiß zurzeit auch Projekt-Initiator Schmitt nicht. Wenn das Leben in Oberhambach so weiter gehe wie bisher, sei das aber auch ein brauchbares Ergebnis der Multimedia-Initiative, meint er. (Thomas Struk, dpa) / ()