Forscher entwickeln Robotertechnik für selbstreparierende Weltraum-Habitate

Habitate für Astronauten auf Mond und Mars müssen gewartet und repariert werden. Das können SmartHabs mit Robotern auch selbst übernehmen.

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(Bild: Harvard John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences (Screenshot))

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Wissenschaftler der Harvard John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences (SEAS), der University of Conneticut und der University of Texas haben gemeinsam am Institut Resilient ExtraTerrestrial Habitats (RETHi) selbstanpassbare Robotergreifer und einen speziellen Roboterarm entwickelt, die Wartungs- und Reparaturaufgaben an zukünftigen Habitaten für Astronauten etwa auf Mond und Mars übernehmen können. Die Roboter sollen die Astronauten bei Routinearbeiten und Reparaturen an den Habitaten entlasten.

Justin Werfel, Senior Research Fellow im Bereich Robotik an der SEAS, und sein Team arbeiten bereits seit 2019 an Roboterarmen und -greifern, die eine bessere Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern ermöglichen sollen. Dabei konzentrieren sich die Wissenschaftler auf sogenannte SmartHabs, multifunktionale Habitate für Astronauten, die es ihnen ermöglichen, auf Mond und Mars längere Zeit zu verweilen.

"Was passiert, wenn ein Meteorit das Habitat zwischen den Missionen beschädigt und die Besatzung nicht da ist, um es zu reparieren? Oder wenn es während einer bemannten Zeit passiert, haben die Astronauten vielleicht alle Hände voll zu tun mit anderen Notfällen. Auch in Routinesituationen gibt es viele regelmäßige Wartungsaufgaben, die wertvolle Zeit der Astronauten in Anspruch nehmen, vom Austausch von Filtern bis zur Reinigung von Dingen. Man möchte wirklich, dass das Habitat so viel wie möglich selbst erledigen kann, was bedeutet, dass Roboter diese Arbeit übernehmen", sagt Werfel.

Die Roboter müssen dabei einige Anforderungen erfüllen. Vor allem müssen sie multifunktional ausgelegt sein, also viele verschiedene Aufgaben übernehmen können. So spart man sich mehrere spezialisierte Roboter, die lediglich einzelne Aufgaben durchführen können und viel Platz in den Habitaten einnehmen würden. Für solche multifunktionalen Roboter hat das Team nun in einem ersten Schritt Multifunktionsgreifer entwickelt. Die Greifer können ihre eigene Form ändern, um unterschiedliche geformte Objekte greifen zu können.

Herausgekommen ist dabei ein Greifer aus Fingern mit Scherengliedern, den die Forscher in dem wissenschaftlichen Paper "Transformable Linkage-Based Gripper for Multi-Mode Grasping and Manipulation" beschreiben, der in IEEE Robotics and Automation Letters erschienen ist. Der Greifer kann sich so anpassen, dass er die Anzahl der Gelenke vom Finger selbstständig anpassen kann.

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Der Greifer hat im Wesentlichen drei verschiedene Modi. Im ersten Modus sind die Finger kurz, entsprechend sind sie steif und können Objekte sehr fest und damit sicher greifen. Im zweiten Modus erweitert der Greifer seine Finger um ein Gelenk. Das ermöglicht es ihm, Objekte zu bewegen und zu manipulieren, ohne sie dabei fallen zu lassen. Im dritten Modus kommen drei weitere Gelenke dazu. Die Finger können dann ein Objekt besser umschließen, indem sie sich der Form anpassen und den Anpressdruck auf das Objekt besser verteilen. Unregelmäßig geformte und empfindliche Objekte können so sicherer gegriffen werden.

Für die zunächst vermutlich eher engen SmartHabs, die in etwa die Größe eines Wohnmobils haben werden und voll mit Ausrüstung und Geräten sein werden, sind starre Roboter weniger geeignet. Sie sind gefährlicher für den Menschen und können sich nicht ausreichend verformen, um auch auf engem Raum zu arbeiten. Weiche Roboter dagegen fehlt oft die Kraft, um auch schwere Arbeiten erledigen zu können. Das RETHi-Team hat deshalb einen weichen Roboterarm entwickelt, der verformbar ist, sich zugleich aber auch so versteifen kann, dass er höhere Kräfte ausüben kann.

Der Roboterarm besteht aus zwei individuell gesteuerten Segmenten. Jedes dieser Segmente besteht aus weichen Gelenken, die jeweils nur einen geringen Bewegungsspielraum haben. Zusammengenommen erlauben sie aber eine Beugung von 90 Grad. Aktuatoren, die entlang der Gelenke befestigt sind, ermöglichen es, einzelne Bereiche lokal zu versteifen. Der Arm ist dann in der Lage, etwa schwere Gegenstände zu bewegen oder gar anzuheben.

Bei schweren Arbeiten, bei denen Astronauten die Hilfe von Robotern benötigen, können die Roboter aus Zeitgründen nicht extra angeleitet werden. Sie müssen helfen können, ohne die Aufgabe selbst oder das Ziel kennen zu müssen. Dazu haben die Forscher eine Methode entwickelt, die dem Roboter per Kraft, die auf ein schweres Objekt ausgeübt wird, signalisiert, in welche Richtung er das Objekt anheben und bewegen soll.

"In diesem Fall fungiert das gemeinsam genutzte Objekt als physischer Kanal für die Koordination", so Nicole Carey, eine der Entwicklerinnen der Methode. "Der menschliche Anführer kann eine Kraft ausüben, und die Roboter folgen dieser Kraft als Signal".

Damit Roboter Reparaturen einfacher ausführen können, haben sich die Forscher weitere Gedanken gemacht. Sie wollen nicht den Roboter so anpassen, dass er komplizierte Reparaturen durchführen kann, sondern die Habitate und Instrumente so konzipieren, dass sie mit möglichst einfachen Robotern gewartet und repariert werden können.

"Wir haben Hardware genommen, die zuvor eine geschickte zweihändige Handhabung erforderte, und sie so umgestaltet, dass die gesamte Aufgabe von einem einzigen Roboterarm mit einem Standard-Parallelkiefergreifer erledigt werden kann", sagt Nathan Melenbrink, einer der mitwirkenden Forscher des Projektes.

Die Ergebnisse der Forschungsarbeit sollen nun in einer Kombination aus virtueller Simulation und praktischer Umsetzung überprüft werden. Dazu wollen die Wissenschaftler von den Robotern ein Loch flicken lassen, das ein simulierter Meteoriteneinschlag hinterlassen hat.

(olb)