Forscher zur Energiekrise: Deutschland sollte 30 Prozent Gas einsparen

20 Prozent Gas sollten eingespart werden, damit Deutschland gut durch den Winter kommt, heißt es häufig. Ein Forschungsteam in Potsdam meint, es gingen mehr.

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Heater,Thermostate

Besser runterregeln, sagt das Potsdamer Forschungsteam.

(Bild: alterfalter/Shutterstock.com)

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"30 Prozent Reduktion beim Gasverbrauch sind möglich und wichtig, um nicht nur eine Gasmangellage mit Lieferunterbrechungen zu vermeiden, sondern auch die Gaspreise und verbleibenden Importabhängigkeiten auf ein erträgliches Maß zu begrenzen." Das ist ein Ergebnis eines Forschungsprojekts am Potsdam-Institut für Klimaforschung (PIK). Das sei kurzfristig der wichtigste Baustein, um Deutschlands Energiesouveränität und geopolitische Resilienz zu erhöhen.

Die Bundesregierung und der Präsident der Bundesnetzagentur betonten wiederholt, es sei nötig, dass der Gasverbrauch in Deutschland um 20 Prozent gemindert werden müsse, damit keine Gasmangellage entstehe. Die 30 Forscherinnen und Forscher an dem Projekt "Ariadne" des PIK meinen, eine Reduktion um 30 Prozent sei auch deshalb nötig, weil sich Deutschland durch Ersatz für das fehlende Gas etwa jährlich 600 TWh aus verlässlichen Lieferländen und eigenen Quellen sichern könne. Das seien 30 Prozent gegenüber dem Vorkrisenniveau.

"Den Verbrauch auf dieses Niveau zu senken, erhöht die geopolitische Resilienz Deutschlands und ist somit in der aktuellen Gaskrise der Kernbaustein zur kurzfristigen Wiedererlangung der Energiesouveränität", heißt es in der Studie. Wenn die Nachfrage derart zurückgehe, leiste Deutschland auch einen Beitrag dazu, die Gasknappheit auf dem europäischen Markt zu mindern, damit könnten auch die Gaspreise sinken. Letzteres sei wiederum entscheidend, um die Kosten der Gaskrise für Verbraucher, Industrie und den Fiskus beherrschbar zu halten.

Einsparpotenziale seien zwar vorhanden, dafür müsse es aber in der Energiewirtschaft und in der Gebäudewärme eine deutliche Trendwende geben. Bisher hätten sich aus diesen Sektoren bisher kaum Verbrauchsminderungen ergeben. Der Anteil der Gasverstromung in der Energiewirtschaft könne bis 2023 um bis zu 50 Prozent und bis 2025 um bis zu 80 Prozent gesenkt werden, meint das Forschungsprojekt. Dafür müssten die Erneuerbaren Energien entlang der vorgegebenen Ziele ausgebaut und Kohlekraftwerke vorübergehend stärker genutzt werden.

Im Gebäudesektor liege das größte kurzfristige Einsparpotenzial für Gas darin, das Heizverhalten zu ändern. Dafür könne zum Beispiel die Raumtemperatur um ein bis zwei Grad abgesenkt werden. Die Heizung sollte nicht im Dauerbetrieb, sondern nach Bedarf genutzt werden. Dabei wären intelligente Heizungsregler nützlich. "Zusammen mit einem beschleunigten Hochlauf von Wärmepumpen, dem Anschluss an Fern- und Nahwärmenetze und einer stärkeren energetischen Sanierung des Gebäudebestands ließen sich im Gebäudesektor kurzfristig gut 30 Prozent des Gasbedarfs einsparen", heißt es aus dem PIK-Projekt.

Die Industrie könne den Gasverbrauch mindern, indem sie beispielsweise für die Dampferzeugung andere Brennstoffe einsetzt. Potenzial gebe es zum Teil auch für Industrieöfen. Bis 2025 ließe sich so der Gasverbrauch theoretisch um knapp 50 Prozent reduzieren. Dieser Wechsel könne aber auch dazu führen, dass mehr Heizöl und Biomasse eingesetzt würden. Deshalb sei es für den Weg zur Klimaneutralität wichtig, dass die Dampferzeugung schneller elektrifiziert wird.

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Das Projekt "Ariadne" des PIK arbeitet an Modellen und Szenarien, wie sich Klimaschutz und Energiesouveränität miteinander vereinbaren lassen. Das sei möglich, zeige eine Studie des Projekts auf der Basis von sechs Modellen und zwei grundlegenden Szenarien. "Allein die Reduktion des Gasverbrauchs führt zu einer CO₂-Minderung von 50 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr gegenüber dem Mittel von 2017 bis 2021", heißt es in der Studie "Deutschland auf dem Weg aus der Gaskrise". Ein Teil der Gasminderung gehe zwar mit einem Brennstoffwechsel auf Kohle oder Heizöl einher. Die dadurch entstehenden Mehremissionen seien aber durch den europäischen Emissionshandel gedeckelt, der die Höhe der CO₂-Emissionen in den maßgeblichen Sektoren Energiewirtschaft und Industrie begrenze.

(anw)