Forschungslandschaft Deutschland: im Schlepptau des Automobilbaus

Forschungsministerin Edelgard Bulmahn stellte heute den Bericht "Zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2002" vor.

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Von
  • Richard Sietmann

Der Aufhol- und Expansionsprozess Deutschlands im Bereich der Spitzentechnologie gegen Mitte und Ende der neunziger Jahre ist in den vergangenen zwei Jahren erheblich ins Stocken geraten. Die Unternehmen der Spitzentechnologie -- Firmen also, bei denen der Anteil von Forschung und Entwicklung (FuE) am Umsatz über 8,5 Prozent liegt -- haben im vergangenen Jahr 10 Prozent weniger produziert als noch im Jahr zuvor. Dagegen konnte sich der Bereich der hochwertigen Technologie (FuE-Anteil am Umsatz zwischen 3,5 und 8,5 Prozent) gegen den allgemeinen Trend recht gut behaupten. Treibende Kraft ist hier vor allem der Automobilbau als Deutschlands traditionelle Stärke; andere Branchen wie Chemie, Elektro und Maschinenbau haben hingegen Wachstums- oder Standortprobleme.

Besorgnis erregend ist die Situation der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK). In der Bundesrepublik sind im Jahre 2001 gegenüber dem Vorjahr unverändert insgesamt 6,8 Prozent des Inlandsprodukts für IuK-Produkte und Dienstleistungen ausgegeben worden -- deutlich weniger als der Durchschnitt der westlichen Industrieländer. Deutschland ist "keineswegs dabei, den Abstand zu den im Einsatz von IuK-Technologien führenden Volkswirtschaften zu verkürzen".

Dies sind Kernaussagen des Gutachtens "Zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2002", den Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn heute der Öffentlichkeit vorstellte. Erarbeitet wurde der Bericht vom Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) unter Mitwirkung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW), des DIW Berlin und des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft.

Unter den westlichen Industrieländern ist Deutschland nach den USA und vor Japan zwar der zweitgrößte Exporteur von Waren mit einem hohen Anteil von Forschung und Entwicklung (FuE), und nach Abzug der Technologieimporte per saldo gemeinsam mit Japan der größte Nettoexporteur technologiehaltiger Güter, doch ist seit den neunziger Jahren das deutsche Außenhandelsportfolio immer 'automobillastiger' geworden. Würde man den Automobilsektor aus der Außenhandelsbilanz herausrechnen, "wäre Deutschland nicht mehr als ein Land zu bezeichnen, das im internationalen Handel auf forschungsintensive Produktionen spezialisiert ist".

In dem aktuellen Konjunktureinbruch haben die Unternehmen die strategische Forschung zurückgefahren, und "ein Comeback ist wohl nicht in Sicht", erklärte Professor Hariolf Grupp vom ISI vor der Presse. In dieser Situation steige die Bedeutung der öffentlichen FuE. Die Forschungspolitik müsse klare Signale setzen, dass sie das unter den EU-Staaten vereinbarte Ziel, 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für FuE aufzuwenden, zügig anpackt. In Deutschland sind es zurzeit 2,5 Prozent.

Auf konkrete Zahlen oder Zeitpläne ließ sich die Bundesforschungsministerin nicht ein. Sie muss darum kämpfen, dass ihr Ministerium ungerupft aus den anstehenden Haushaltsverhandlungen herauskommt. In dem gegenwärtig schwierigen wirtschaftlichen Umfeld "dürfen Wirtschaft und Öffentliche Hand in ihren Anstrengungen nicht nachlassen", forderte die BMBF-Chefinund erklärte, sie wolle sich "nicht nur für die Kompensation der wegfallenden UMTS-Mittel, sondern darüber hinaus für zusätzliche Mittel einsetzen". (Richard Sietmann) / (jk)