Porträt: Mahmoud Dabdoub hält den Wandel Leipzigs mit der Kamera fest

Aus seiner ganz persönlichen Sicht porträtierte der palästinensische Fotograf Mahmoud Dabdoub den DDR-Alltag in Leipzig. Bis heute hält er dort den gesellschaftlichen Wandel fest.

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Von
  • Martina Weber
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Wie viele Fotos er in den vergangenen 33 Jahren geschossen hat, weiß Mahmoud Dabdoub nicht. Der 56-Jährige, der 1981 aus dem Libanon nach Leipzig kam, ist mit seinen Fotografien der kleinen Leute bekannt geworden. In seinen tagebuchartigen Bildern hielt er den Alltag der DDR fest. Sie schwanken zwischen unbeschwerten Kindheitstagen und grauer Realität. Dass er als Palästinenser auf die für ihn neue Umgebung Anfang der 80er blickte, machte ihn zu einem besonderen Zeitzeugen. Bis zum Mauerfall machte Dabdoub die Fotos eher privat, dann wuchs das öffentliche Interesse.

Seine Eindrücke künstlerisch festzuhalten, damit habe er bereits in seiner Kindheit begonnen, erzählt Dabdoub. Aufgewachsen in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon, verarbeitete Dabdou seinen Alltag erst in Zeichnungen und dann in Fotografien. Er zeigte sein erstes dokumentarisches Foto Anfang der 80er Jahre: Eine Wand mit Einschusslöchern, in der Mitte ein Foto eines Kindes im Bilderrahmen. Eine Rakete hatte das Haus im Flüchtlingslager zerstört, sagt Dabdoub. "Das Bild kommt ganz ohne Erklärung aus".

Im Gegensatz zum bunten und lebhaften, aber vom Krieg erschütterten Beirut, wo er sein Abitur machte, war Leipzig eine Friedensoase, erinnert sich der Mann mit schwarzem Haar und leicht ergrautem Bart. Durch seine Fotografien über den Krieg im Libanon bekam der damals 23-Jährige 1981 einen Studienplatz an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig sowie frühe Anerkennung unter Fachkollegen.

(Bild: Mahmoud Dabdoub)

In den 2000er Jahren wurden seine Bilder aus dem Libanon und Palästina mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Unter anderem 2004 mit einer Goldmedaille beim Internationalen Arabisch-Europäischen Fotofestival in Hamburg.

Mit den unzähligen Aufnahmen der "kleinen Bürger" in der DDR hielt Mahmoud Dabdoub sein neues Zuhause fest. "Zwar waren es Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Aber mit der Offenheit und Herzlichkeit der Menschen mir gegenüber, haben sie den Fotos eine menschliche Farbe verpasst." Heute seien die Menschen viel verhaltener, sagt Dabdoub. Dies sei eben auch der Wandel.

"Die Kamera war sein ständiges Notizbuch, der Alltag das ihn beschäftigende Generalthema", erinnert sich Dabdoubs HGB-Professor Helfried Strauß. "Er hat die Bilder der 'kleinen Leute' immer auf seine vorbehaltlose Weise voller Hinwendung und liebevollem Interesse gesammelt. Jeder, der ihm begegnete, war es wert, aufgenommen zu werden." Dabdoub fühlte sich schnell in der Fremde wohl.

Aus Angst vor Kritik von Funktionären hielt Dabdoub seine DDR-Bilder erst unter Verschluss. Größere Aufmerksamkeit bekamen sie erst, als der Arbeiter-und-Bauernstaat der Vergangenheit angehörte. Den Wandel der Leipziger Gesellschaft verfolgt Mahmoud Dabdoub bis heute weiter. Doch seine Arbeiten haben sich verändert. Wo früher vor allem Menschen unbefangen in die Kamera schauten, setzt der 56-Jährige heute architektonische Details von Leipzig in den Mittelpunkt. "Quo vadis" – ein Austellungsprojekt zum Stadtjubiläum, das Leipzigs Entwicklung von 1981 bis 2014 nachzeichnen soll, wird für ihn eine Herzensangelegenheit.

(Bild: Mahmoud Dabdoub)

Mahmoud Dabdoub lebt mit seiner Frau und seinen drei Töchtern im Leipziger Süden. Obwohl die Stadt sein Lebenszentrum ist, zieht es ihn zu seinen familiären Wurzeln zurück. Neben einer Vitrine mit alten Kameramodellen hängt ein Bild von Ost-Jerusalem. Gefasst zeigt er auf das Dorf seiner Großeltern, aus dem sie 1948 vertrieben worden sind. Zwischen 2009 und 2013 reiste er nach Palästina. Über den Fotobuch-Titel macht er sich noch Gedanken. "Heimat Palästina" oder "Zurück zu den Wurzeln". (keh)