Fotozensur: Chefredakteur der Aftenposten beschwert sich bei Facebook-Chef

Facebook hat ein Posting der norwegischen Tageszeitung Aftenposten mit einem berühmten Foto aus dem Vietnamkrieg gelöscht. Dessen Chefredakteur hat sich nun in einem offenen Brief an Mark Zuckerberg gewandt.

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Bilderzensur: Chefredakteur der Aftenposten beschwert sich bei Facebook-Chef

Espen Egil Hansen vor dem berühmten Foto, das Facebook gelöscht hat.

(Bild: aftenposten.no)

Lesezeit: 3 Min.

"Erst stellen Sie Regeln auf, die nicht zwischen Kinderpornografie und berühmten Kriegsfotos unterscheiden. Dann setzen sie diese Regeln strikt durch, zensieren auch noch die Kritik und Diskussion über ihre Entscheidung und bestrafen den Kritiker." Mit diesen Worten hat sich Espen Egil Hansen, Chefredakteur der norwegischen Tageszeitung Aftenposten, an Facebook-Gründer und -Chef Mark Zuckerberg gewandt. In dem von seiner Zeitung gedruckten und im Web veröffentlichten Brief zeigt er sich besorgt darüber, was Facebook einer der tragenden Säulen der demokratischen Gesellschaft zufüge, und unterstellt dem sozialen Netzwerk, Dummheit zu begünstigen.

Anlass für Hansens Brief ist ein Facebook-Posting seines Kollegen Tom Egeland, das sieben Fotos enthielt, die sich auf die Geschichte der Kriegsführung ausgewirkt haben. Darunter ist ein Foto des Pressefotografen Nick Út von der damals Neunjährigen Kim Phuc, die im Juni 1972 nackt und mit schweren Verbrennungen vor einem Napalm-Angriff der US-Amerikaner flieht. Facebook habe daraufhin die Aftenposten per E-Mail aus Hamburg aufgefordert, das Bild zu entfernen. Weniger als 24 Stunden danach habe Facebook das Foto nebst zugehörigen Artikel selbst gelöscht.

Egeland gab via Facebook die Kritik von Kim Phuc an Facebook daran wieder, das Foto gelöscht zu haben. Facebook habe daraufhin Egeland von dem sozialen Netzwerk ausgeschlossen, schreibt Hansen weiter.

Facebook habe sich zur führenden Plattform entwickelt, auf der Informationen verbreitet, Debatten geführt und soziale Kontakte gepflegt werden. Zuckerberg sei der mächtigste Redakteur der Welt, dem auch nicht eine solch große Tageszeitung wie die Aftenposten ausweichen könne. Aber der Betreiber des sozialen Netzwerks enge den Raum für die eigene redaktionelle Verantwortung ein und missbrauche seine Macht.

Das Foto von Nick Ú sei ein ikonografisches Dokumentarbild des Vietnamkriegs, schreibt Hansen. Es habe dazu beigetragen, die öffentliche Meinung über den Krieg zu beeinflussen und kritisch darüber zu diskutieren. Freie und unabhängige Medien hätten ebenfalls dazu beigetragen und der Öffentlichkeit die – mitunter unbequeme – Wahrheit gezeigt.

Die Mitarbeiter der Medien entschieden in jedem einzelnen Fall sorgfältig über die Veröffentlichung. Dieses Recht und diese Pflicht sollten nach Hansens Meinung nicht von einem Algorithmus unterlaufen werden, der in einem Büro in Kalifornien entwickelt wurde.

Update 9.9.2016, 15:34 Uhr: Die konservative norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg hat sich mit der Aftenposten solidarisiert und ebenfalls das inkriminierte Foto auf ihrer Facebook-Seite gepostet. Nach kurzer Zeit sei es dort verschwunden, schreibt sie. Fotografien seien ein wichtiger Bestandteil für die Ausbildung eines historischen Bewusstsein. Solberg hoffe, dass Facebook die Anwendung seiner Regeln überdenkt. (anw)