Frankreichs Staatspräsident torpediert EU-Parlamentsbeschluss

Im Ringen um die Ausgestaltung neuer Internet-Rechtsverordnungen setzt Nicolas Sarkozy auf gute Kontakte: Wie jetzt bekannt wurde, forderte er EU-Kommissionspräsident Barroso persönlich auf, einen Mehrheitsbeschluss des EU-Parlaments einzukassieren.

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Von
  • Detlef Borchers

Ein Fax des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy an den Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel Barroso, sorgt für Aufregung. Denn in dem Schreiben fordert Sarkozy Barroso auf, sich gegen eine Passage im sogenannten Telecom-Paket zu engagieren, nach der Internetsperrungen etwa wegen Urheberrechtsverstößen nicht ohne richterliche Genehmigung verfügt werden dürfen. Nachdem die EU-Komission das Ansinnen zurückwies, beschwichtigt Sarkozys Büro: Das "unglücklich veröffentlichte Schreiben" sollte keinen Druck auf die EU-Kommission ausüben, sondern lediglich den Standpunkt der französischen Regierung verdeutlichen.

Der einigermaßen ungewöhnliche Vorgang steht im Zusammenhang mit der ersten Lesung des Telecom-Pakets (PDF-Datei) im EU-Parlament, in der das Parlament den Änderungsantrag Nr. 138 mit 573 zu 74 Stimmen angenommen hatte. Unter Berufung auf Artikel 11 der EU-Charta (PDF-Datei), der die Informationsfreiheit betont, spricht sich der Änderungsantrag dafür aus, dass keine (Netz-)Sperrungen ohne eine zuvor erfolgte richterliche Anordnung erfolgen dürfen.

Diese Passage widerspricht direkt französischen Plänen für eine Internetpolizei, die ohne richterliche Beschlüsse Verwarnungen und Sperrungen problematischer Inhalte oder auch den Entzug persönlichen Zugriffsrechte einzelner Bürger durchsetzen soll. Entsprechend heißt es im Fax von Nicolas Sarkozy sehr direkt: "Il est notamment fondamental que l'amendement No. 138 adopté par le Parlement européen soit rejeté par la Commision. Pour écarter l'amendement, je sollicite votre engagement personnel et celui de la commissaire en charge du dossier". ("Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, dass der vom EU-Parlament beschlossene Änderungsantrag Nr. 138 von der Kommission zurückgewiesen werden muss.[...] Dabei setze ich auf Ihr persönliches Engagement und das Engagement der zuständigen Kommissarin für dieses Paket."

Seitens der von Sarkozy erwähnten zuständigen EU-Kommissarin Viviane Reding hatte gestern Martin Selmayr, der für Informationsgesellschaft und Medien zuständige Sprecher der EU-Kommission mit einer Antwort reagiert. Er verwies auf die demokratischen Entscheidungsprozesse, die bei der Verabschiedung des Telecom-Pakets eingehalten werden müssen. "Die Kommission respektiert die demokratische Entscheidung des EU-Parlaments. Nach unserer Ansicht fixiert der Änderungsantrag wichtige Rechte des Bürgers. Es ist wichtig, einen gesunden Ausgleich zwischen dem Recht auf Privatsphäre, dem Recht auf Informationsfreiheit und den Rechten der Anderen zu schaffen."

Allgemein sorgt der Aktionismus des französischen Präsidenten für Irritationen. Das Telecom-Paket muss noch vom EU-Ministerrat abgesegnet werden. Dieser kann einzelne Änderungsanträge oder das gesamte Paket ablehnen und es zur erneuten Lesung an das EU-Parlament zurück verweisen. (Detlef Borchers) / (pmz)