Französische Abgeordnete wollen private Tauschbörsen-Nutzung legalisieren
Der Streit um die Reform des französischen Urheberrechts hat eine überraschende Wende genommen, da Filesharing mithilfe einer "Global-Lizenz" und einer Pauschalvergütung für private Zwecke erlaubt werden soll.
Der Streit um die Reform des französischen Urheberrechts hat eine überraschende Wende genommen: Entgegen dem Ansinnen der Regierung haben sich die Abgeordneten nach dem zweiten Verhandlungstag in der Nacht zum heutigen Donnerstag dafür ausgesprochen, das Filesharing auch urheberrechtlich geschützter Werke mithilfe einer "Global-Lizenz" nebst Pauschalvergütung für private Zwecke zu erlauben. Für einen entsprechenden Änderungsantrag am Gesetzesentwurf für die Urheberrechtsnovelle (DADVSI) sprach sich im kaum noch besetzten französischen Parlament eine Mehrheit der anwesenden Abgeordneten aus.
Der Korrekturvorschlag will eine von den Providern zu entrichtende, in ihrer Höhe nicht genau bezifferte Pauschalabgabe für die P2P-Nutzung einführen, wie sie hierzulande unter dem Stichwort "Kulturflatrate" seit längerem diskutiert wird. Sie soll in Form eines "alternativen Kompensationssystems" die Vergütung von Künstlern beim Download ihrer Werke aus Tauschbörsen sicherstellen. Die Abgabe wird an die französische Verwertungsgesellschaft SACEM gezahlt. Das GEMA-Pendant soll dann für die Aufteilung des Kuchens sorgen. Eingebracht hatte den Vorschlag Alain Suguenot von der konservativen Regierungspartei Union pour un Mouvement Populaire (UMP). 30 von 577 Parlamentariern stimmten für seinen Antrag, 28 dagegen.
Im Kern geht es in der Ergänzung zum ursprünglichen Gesetzesentwurf um die Sicherung der Privatkopie. Es untersagt Urhebern und Verwertern, "die Reproduktion von Werken für die private Nutzung aus einem Kommunikationsdienst zu verbieten". Das Medienformat oder der Datenträger sollen dabei keine Rolle spielen. Zuvor hatte Christian Paul von den Sozialisten die Abgeordneten rhetorisch zu einer "Reise in die Tiefen der digitalen Hölle" entführt und sich darüber beklagt, dass gekaufte CDs aufgrund technischer Kopierschutzmaßnahmen "auf einem Abspielgerät dieser oder jener Marke nicht mehr gelesen werden" könnten. Songs, die man auf einer kommerziellen Musik-Plattform erwerbe, könne man aufgrund Kompatibilitätsproblemen ebenfalls nicht beliebig anhören. Die Frage, inwieweit die Privatkopie auch gegen technische Schutzmaßnahmen durchsetzbar sein soll, haben die Abgeordneten noch nicht erörtert.
Die ursprünglichen Pläne von Kultusminister Renaud Donnedieu de Vabres zur Verschärfung des Urheberrechts haben mit dem Votum einen Rückschlag erlitten. Er hatte zunächst eine strenge Bestrafung illegaler Filesharer gefordert und bei Rechtsverstößen im gewerblichen Ausmaß Strafen bis zu 300.000 Euro sowie drei Jahre Gefängnis ins Spiel gebracht. Die Debatte um den Gesetzesentwurf, die heute Abend fortgesetzt werden soll, verlief bisher insgesamt sehr hitzig. Die Sozialisten hatten etwa zunächst vergeblich versucht, eine komplette Zurückweisung der Novelle zu bewirken. Sie begründeten dies damit, dass sehr viele Änderungsvorschläge eingegangen seien, die zum Teil neue Straftatbestände schaffen und bisheriges Recht zu umgehen versuchen würden. Mehrere Abgeordnete hatten zudem ihre Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass man künftig eine CD oder DVD, die unter Windows gelesen werden könne, nicht mehr unter Linux abspielen dürfe. Die grüne Martine Billard hatte von einem "Krieg gegen freie Software" gesprochen. Ob das Gesetzespaket unter diesen Umständen in der heutigen Sitzung noch komplett verabschiedet werden kann, ist unwahrscheinlich.
Von Vertretern der Unterhaltungsindustrie kommt derweil heftige Kritik an der nächtlichen Befürwortung einer Kulturflatrate. Die Parlamentarier "wissen nicht, was sie tun", empört sich Jean-Baptiste Soufron vom französischen Filmverleih Gaumont. Viele Existenzen in der Musik- und Filmindustrie stünden vor dem Aus. Die Association Des Audionautes, die gegen die Kriminalisierung von Tauschbörsen-Nutzern kämpft, hat das Votum dagegen begrüßt. Endgültig ist die Entscheidung noch nicht: Der Änderungsvorschlag kann in der weiteren Debatte des Gesetzes noch einmal zur Abstimmung kommen oder vom Senat zurückgewiesen werden. (Stefan Krempl) / (anw)