Französischer Verfassungsrat hat weiter Bedenken gegen Filesharing-Gesetz

Nach Medienberichten äußern die Verfassungsweisen Bedenken auch gegen die neuen Pläne der französischen Regierung, Urheberrechtsverstöße im Internet in einem richterlichen Schnellverfahren entscheiden zu lassen. Update: Das Kulturministerium dementiert

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Von
  • Thomas Pany

Die französische Regierung hat es eilig, das bisher nur in gekürzter Fassung abgesegnete Hadopi-Gesetz um die vorgesehen Sanktionen gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet zu ergänzen. Noch im Juli soll der fehlende Passus dem Senat vorgelegt (8./9. Juli) und schließlich durchs Parlament gebracht werden (20. Juli). Doch hat der französische Verfassungsrat bereits Bedenken gegen die Ergänzung geäußert, wie das Magazin Nouvel Observateur am heutigen Dienstag berichtet.

Bei der Überprüfung des neuen Entwurfs habe ein Sprecher des Conseil d'Etat mehrere nicht verfassungskonforme Punkte herausgehoben. Sollte ein Abgeordneter den Verfassungsrat in der Sache einschalten, könnte "Hadopi2" demnach ebenso zurückgewiesen werden wie die erste Fassung. Das Magazin stützt sich dabei auf Informationen der Wirtschaftszeitung La Tribune, die von mehreren Kritikpunkten des Verfassungsrats berichtet.

Nachdem der Verfassungsrat beim ersten Entwurf monierte, dass die im Gesetz vorgesehene Internet-Sperre verfassungskonform nur von einem Richter und nicht von einer Behörde ausgesprochen werden dürfe, beabsichtigt die Regierung nun, dass jeder Fall von einem Richter innerhalb von "punktgenau 45 Minuten" behandelt wird. Das geht aus einem Regierungspapier (PDF-Datei) zur Umsetzung des neuen Gesetzes ("étude d'impact") hervor, das heute von der Tribune veröffentlicht wurde.

Den Regierungsplänen zufolge soll sich der Richter bei seinem Urteil im Schnellverfahren auf ein Dossier stützen, das von der neuen Behörde "Haute autorité pour la diffusion des oeuvres et la protection des droits sur Internet" (Hadopi) vorbereitet werde. Der Sprecher des Verfassungsrats soll an diesem Punkt darauf hingewiesen haben, dass die Trennung zwischen richterlicher Gewalt und der Behörde hier nicht ausreichend garantiert sei. Die "Verfassungsweisen" hatten sich bereits beim ersten Gesetzentwurf an den weit reichenden Kompetenzen der Behörde gestoßen. Die Hadopi sollte ursprünglich Internetsperren ohne richterliche Aufsicht anordnen können.

Der Versuch der Regierung, die Fälle von Urheberrechtsverstößen im Internet schnellgerichtlich nach dem Vorbild von Bußgeldverfahren bei Verkehrsverstößen zu behandeln, stößt französischen Medienberichten zufolge beim Verfassungsrat auf Widerstand, der die Beweislast nur in Ausnahmefällen – wie etwa bei Blitzerfotos von Geschwindigkeitsüberschreitungen – beim Beschuldigten sieht. Zudem seien Instrumente wie eine Zugangssperre nicht angemessen, solange nicht sichergestellt werden könne, dass nicht ein Dritter den Verstoß begangen habe.

Laut Bericht der Tribune rechnet die Regierung in der Umsetzungsstudie damit, dass jährlich etwa 50.000 Fälle von Urheberrechtsverletzungen vor Gericht landen. Im Zusammenhang mit dem ersten Hadopi-Gesetzesentwurf war man noch von möglichen 1000 Sperren am Tag oder etwa 250.000 im Jahr ausgegangen. Die jetzt anvisierten 50.000 Fälle würden nach Schätzungen der Regierung etwa 109 zusätzliche Stellen, darunter 26 Magistratrichter, erforderlich machen.

Update:

Wie der Nouvel Observateur am Abend berichtete, hat das Kulturministerium inzwischen der Darstellung der Zeitung La Tribune widersprochen. Der Verfassungsrat habe keine Vorbehalte gegen den Gesetzesentwurf "Hadopi 2" formuliert, bekräftigte das Ministerium gegenüber einer Nachrichtenagentur.

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