Fraunhofer-Gesellschaft macht sich für Softwarepatente stark

Zahlreiche Organisationen und Firmen nutzten die Anhörung der EU-Kommission zur künftigen Patentpolitik in Europa, um auf einen breiten gewerblichen Rechtsschutz für Erfindungen auch im Computersektor zu drängen.

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Zahlreiche Organisationen und Firmen haben die Anhörung der EU-Kommission zur künftigen Patentpolitik in Europa am heutigen Mittwochvormittag genutzt, um auf einen breiten gewerblichen Rechtsschutz für Erfindungen auch im Computersektor zu drängen. Zugleich forderten sie eine bessere EU-weite Durchsetzbarkeit gewährter Monopolansprüche. So sprach sich etwa Helmut Schuber, Patent- und Lizenzexperte der Fraunhofer-Gesellschaft, deutlich dafür aus, dass der Patentschutz auch für so genannte computerimplementierte Erfindungen und den Bereich Biotechnologie gelten müsse. Den Ingenieuren der Forschungsgemeinschaft sei nicht zu erklären, warum Patente nicht auch in diesen Gebieten gelten sollten, begründete er seine Haltung.

Im Prinzip sieht Schuber wenig Änderungsbedarf am Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ). Diese Basis für die Schutzrechterteilung durch das Europäische Patentamt (EPA) untersagt die Patentierung von Computerprogrammen "als solchen". Das EPA interpretiert diese Klausel recht weit. So gehen seine Beschwerdekammern davon aus, dass etwa bei der "Verbesserung des Kontrastes von einem Bild" durch eine gemischte Hard- und Softwarelösung oder durch Verbesserungen eines Computerspeichers von einem "technischen Effekt" auszugehen und ein Patentschutz möglich ist. Derlei Lücken im System will die Fraunhofer-Gesellschaft, die beispielsweise für ihr Patent auf MP3 bekannt ist, zum Schutz eigener Entwicklungen weiterhin offen halten.

Die Free Software Foundation Europe (FSFE) hatte den Forschungsverband im vergangenen Jahr auf Risiken der Softwarepatentierung in einem offenen Brief aufmerksam zu machen versucht. Demnach sollte die Gesellschaft "nicht an dem Ast zu sägen, auf dem sie sitzt." Laut FSFE würde der Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) durch eine breite rechtliche Absicherung von Softwarepatenten abnehmen. Der Fraunhofer-Gesellschaft könnten so die Projektpartner wegsterben, da diese nach Angaben der Bundesregierung 60 Prozent ihrer Auftragsforschung mit KMU abwickelt. Der Forschungsverbund lehnte damals eine Stellungnahme zu dem Schreiben ab.

Eher verhalten war bei der Anhörung die Unterstützung für den "letzten Anlauf" der EU-Kommission zur Schaffung eines Gemeinschaftspatents. Vertreter des Pharma-Riesen Merck oder der französischen Regierung betonten, dass sich mit diesem Instrument vor allem Kosten einsparen lassen müssten. Um jeden Preis wolle man eine Ablösung und Vereinfachung der heutzutage vom EPA erteilten "Bündel" nationaler Patente aber nicht anstreben. Am meisten umstritten ist nach wie vor die Frage der Übersetzungen von Patentansprüchen bei einem EU-weiten Schutz. Der französische Diplomat Fabien Raynaud stellte klar, dass "wir die Vielsprachigkeit respektieren müssen". Auch Marcelino Currel-Sunol von der katalanischen KMU-Organisation Pimec betonte, dass auch normale Bürger Patente einfach verstehen können müssten und daher zumindest Übersetzungen in die jeweiligen Muttersprachen zentral von Behördenseite aus zu leisten seien. Mit der Zahl der Übertragungen der Ansprüche in andere Sprachen steigen aber auch die Kosten für das Gemeinschaftspatente.

Deutliche Kritik am "einseitigen" Kurs der EU-Kommission in der Patentpolitik allgemein übte dagegen Michelle Childs vom Consumer Project on Technology (CPTech). Die Vertreterin der zivilgesellschaftlichen Organisation beklagte, dass die Brüsseler Behörde den Patentschutz pauschal mit Innovation gleichsetze und zu sehr allein auf den Schutz geistigen Eigentums abstelle. Sie plädierte dafür, "angemessene Grenzen der Patentpolitik anhand von unabhängigen Studien zu den tatsächlichen Effekten des Systems festzusetzen". Geschäftsmethoden, Software und medizinische Entwicklungen dürften nicht patentierbar sein. Missbrauch des Systems müsse ferner effektiv bekämpft werden. Gleichzeitig verwies Childs auf die "manchmal unakzeptablen Kosten" des Patentwesens für die Gesellschaft. "Patentdickichte" würden es immer schwieriger machen, Standards im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnologien zu setzen.

Auch Thomas Vinje vom European Commitee for Interoperable Systems (ECIS) betonte, dass das Patentwesen die Interessen von Nutzern, Erfindern und der Gesellschaft als ganzer berücksichtigen müsse. Dabei müsse vor allem die Interoperabilität in Betracht gezogen werden. Gerade im Technologiesektor würden Produkte und Dienste vernetzt entwickelt werden und müssten zusammenspielen können. "Patenthinterhalte" und die Behinderung von offenen Standards müssten daher unbedingt vermieden werden. Vinje erinnerte auch daran, dass der Boom der Software-Industrie in einer Zeit ohne Patentschutz für Computerprogramme begann.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)