Dank alter US-Spionagesatelliten: Hunderte römische Forts in Syrien entdeckt

Seit über einem halben Jahrhundert lichten Spionagesatelliten die Erdoberfläche immer detaillierter ab. Jetzt helfen die Aufnahmen auch der Archäologie.

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Schwarz-weiße Satellitenaufnahmen mit viereckigen Strukturen

Einige Beispiel für jetzt entdeckte Forts

(Bild: Casana et al., CORONA imagery courtesy US Geological Survey)

Lesezeit: 3 Min.

Auf Basis freigegebener Aufnahmen von US-Spionagesatelliten hat eine US-Forschungsgruppe fast 400 bislang unbekannte römische Militärlager im Nahen Osten entdeckt und eine fast 100 Jahre alte Theorie entkräftet. Dank der vergleichsweise hoch aufgelösten Aufnahmen der Spionageprogramme Corona und Hexagon habe man die fragliche Gegend in einem Zustand untersuchen können, bevor sich die Landnutzung in den vergangenen Jahrzehnten massiv geändert hat, Städte deutlich vergrößert und Staudämme errichtet wurden, erklärt das Team. Entdeckt habe man auf den Aufnahmen insgesamt 396 bisher unbekannte Forts des Römischen Reichs im Norden des heutigen Syriens, im Irak und in der Türkei. Die seien wohl errichtet worden, um dort das Reisen zu erleichtern.

Die Forschungsgruppe um den Jesse Casana vom Dartmouth College im US-Bundesstaat New Hampshire erklärt, dass der französische Pilot und Pionier der Luftbildarchäologie Antoine Poidebard in dem Gebiet von einem Doppeldecker aus die Überreste hunderter römischer Militärlager entdeckt hatte. Auf Grundlage der Aufnahmen hat Poidebard in den 1930er-Jahren die Theorie entwickelt, dass die Lager Teil einer Art Grenzbefestigung gewesen seien, mit dem das Römische Reich die eigene Ostgrenze abgesichert habe. Dank der jetzt ausgewerteten Aufnahmen von US-Spionagesatelliten aus den 1960er- und 1970er-Jahren könne man aber zeigen, dass sich in dem Gebiet viel mehr Militärlager befunden haben und sich die ursprüngliche Annahme nicht mehr halten lasse.

Oben die bislang bekannten Forts (in Form einer langen Grenze), unten die jetzt entdeckten

Systematisch ausgewertet hat das Team demnach Aufnahmen der Satelliten des US-Spionageprogramms Corona, das von 1960 bis 1972 lief und Satellitenbilder mit einer Auflösung auf 1,83 m geliefert hat. Hinzu gekommen seien dann 2019 die freigegebenen Bilder des Spionagesatelliten Hexagon, die zwischen 1970 und 1986 gemacht wurden. Hier sei sogar eine Auflösung auf 0,6 m erreicht worden. Gefunden wurden darauf hunderte weitere Forts, deren Verteilung deutlich mache, dass Poidebard vor allem gefunden hat, was er finden wollte. So habe er schon damals erklärt, dass er nur Gebiete überflogen und untersucht hat, wo er Überreste römische Anlagen vermutet hat. Wäre er anderswo gewesen, wäre er aber ebenfalls fündig geworden, nur seine Theorie hätte dann nicht mehr gepasst.

Dass sich selbst in dieser archäologisch so gut erforschten Region noch immer derart viele bislang nicht dokumentierte römische Militärlager finden lassen, zeige die Möglichkeiten der Luft- und Satellitenbildarchäologie auf, meint das Team jetzt. Je mehr Spionageaufnahmen freigegeben werden, desto mehr Funde seien zu erwarten. Erst im Frühjahr hat ein britischer Archäologe publik gemacht, dass er auf Google Earth drei bislang unbekannte römische Forts in der Wüste Jordaniens entdeckt hat. Die Entdeckung der 396 Forts weiter nördlich wird jetzt im Fachmagazin Antiquity vorgestellt.

(mho)