WTF

Forschungsministerium fördert "Frisuren-App" mit 1,3 Millionen Euro

Der Steuerzahler-Bund ist auf der Suche nach unnötigen Ausgaben der Bundesministerien auf einen Posten von 1,3 Millionen Euro für eine Frisuren-App gestoßen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 77 Kommentare lesen

(Bild: L'Oreal)

Lesezeit: 4 Min.

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) möchte, dass der Staat das von ihm verwaltete Geld sinnvoll verwendet. Um unnötigen Kosten auf die Spur zu kommen, hat er die Etats der Bundesministerien durchkämmt, ist beispielsweise auf einen Posten von 137.000 Euro für Maskenbildnerei im Hause der Außenministerin Annalena Baerbock gestoßen und hat ihn in seinem "Sparbuch für den Bundeshalt" festgehalten. Das fällt nicht in das Berichtsfeld von heise online, sehr wohl aber die 1,3 Millionen Euro, mit denen das Bundesforschungsministerium die Entwicklung einer App fördert, mit der sich Friseurkundschaft vor dem Schnitt die geeignete Frisur aussuchen kann. Mit Hilfe von "Augmented Reality".

"Haben Sie das auch schon einmal erlebt? Sie gehen mit einer genauen Vorstellung für eine neue Wunschfrisur zum Friseur – und kommen ernüchtert wieder heraus", heißt es im "BdSt-Sparbuch". Das Bundesforschungsministerium fördere ein Abhilfe-Projekt, das ein Missverhältnis zwischen kommuniziertem Wunsch und anschließender Wirklichkeit auflösen soll. "Eine pfiffige Idee", meint der Steuerzahlerbund, "die sich großer Nachfrage sowohl beim Friseurhandwerk als auch bei deren Kunden erfreuen und für die Entwickler ein einträgliches Geschäft werden dürfte."

WTF

Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind für /dev/null.

Der BdSt bezeichnet das Projekt nicht genauer, aber das Bundesforschungsministerium hilft weiter. Bei dem von den Steuerzahlern bemängelten Vorhaben handele es sich um das Verbundprojekt "Gestaltung adaptiver und individualisierter Kundenbeziehungen im Friseurhandwerk mit Augmented Reality (FrisAR)", teilte das Ministerium heise online mit. Dieses werde in der Tat seit Anfang Oktober 2022 bis Ende September 2025 vom Bundesforschungsministerium mit insgesamt rund 1,3 Millionen Euro gefördert.

Das Geld geht unter anderem an eine Forschungsgruppe an der Universität Bremen, beteiligt sind auch World of VR GmbH, Projektträger Karlsruhe (PTKA) und als Industriepartner L’Oréal. Die Projektpartner sehen das Potenzial der App in der "digitalen Unterstützung der Wertschöpfung im Friseurhandwerk", wie es auf der Website der Uni Bremen zu dem Projekt FrisAR heißt. Denn so wie auch andere Gewerke soll auch das Friseurhandwerk von der Digitalisierung profitieren.

Die Kommunikation zwischen Dienstleistern und Kundschaft werde "durch die visuelle Aufbereitung und eine an Kund*innen orientierte Veranschaulichung unterstützt und gestärkt", heißt es in der Projektbeschreibung. Hier biete es sich an, neueste Technik wie LiDAR-Scanner anzuwenden, wie sie neueste Smartphones eingebaut haben. Diese könne dazu beitragen, "potenzielle Dienstleistungsresultate des Friseurhandwerks" zu veranschaulichen.

Das Bundesforschungsministerium meint, dass es sich um ein innovatives Verbundprojekt handele. Es sei mit umfangreichen Entwicklungsarbeiten auf dem "noch weitgehend unbekannten Technologie-Feld der Smartphone-basierten LiDAR-Scanner-Technologie" zu rechnen. Neben der technischen Machbarkeit sei ebenfalls wichtig, dass künftige Kundschaft und Anbieter die Technik akzeptieren. Die dafür nötigen Voraussetzungen würden erforscht und geschaffen. Mit dem Fördergeld werde "die Forschung im Bereich der anwendungsorientierten Augmented Realtity erheblich vorangetrieben".

Hier setzt der Bund der Steuerzahler nicht seinen Kritikhebel an, sondern an anderer Stelle. In der Bremer Projektbeschreibung heißt es nämlich auch, Friseure könnten die durch die erfassten Kundendaten und damit verbundenen Präferenzen "individualisierte Angebote hinsichtlich der Dienstleistung" erstellen. Die Friseure könnten also beispielsweise "Produkte bestimmter Marken, Naturkosmetik, duftstofffreie/tierversuchsfreie Produkte" anbieten. "Darüber hinaus können von Kund*innen präferierte Produkte, die nicht vorrätig sind, vor dem Termin durch die Friseur*innen beschafft werden." Dazu meint der BdSt: "Wir sagen Nein und fordern einen Cut! Es darf keine staatliche Kernaufgabe sein, Kundenbindungen, Produktivität und damit Gewinnaussichten für Friseur-Salons zu optimieren."

(anw)