Fünfjahresplan zur Sicherheitspolitik der EU verabschiedet

Der Europäische Rat hat das Stockholmer Programm abgesegnet, das Eckpunkte für die Innen- und Rechtspolitik der EU bis Ende 2014 festlegt. Es setzt sich etwa für die Auswertung von Fluggastdaten und Strafvorschriften gegen "Raubkopierer" ein.

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Der Europäische Rat hat auf seiner Sitzung am heutigen Freitag das umstrittene Stockholmer Programm abgesegnet, das Eckpunkte für die Innen- und Rechtspolitik der EU bis Ende 2014 festlegt. Der Fünfjahresplan (PDF-Datei), der das Haager Programm ablöst, soll ein "sicheres und offenes Europa" schaffen. Die in Brüssel versammelten Staats- und Regierungschefs der EU betonten die Notwendigkeit, die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger bei den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigen zu wollen. Dementsprechend häufig taucht das Wort Datenschutz in dem Programm auf.

Trotzdem finden sich in dem Rahmenwerk zahlreiche Forderungen, die tiefe Eingriffe in die Grundrechte mit sich bringen könnten. Der Rat strebt generell eine einheitliche Systemarchitektur für den einfacheren Datenaustausch zwischen nationalen und europäischen Sicherheitsbehörden an, die zur Stärkung der strategischen Analysefähigkeit beitragen soll. Dabei soll etwa Europol enger mit nationalen Ermittlern zusammenarbeiten, als "Dienstleister" sowie "Plattform" dienen und vor allem verstärkt das Phänomen des Cybercrime untersuchen. Gemeinsam mit der EU-Staatsanwaltschaft Eurojust sei die europäische Polizeibehörde auch "systematisch" an grenzüberschreitenden Operationen zu beteiligen.

Die Staats- und Regierungschefs haben neben dem Terrorismus vor allem die Bekämpfung des organisierten Verbrechens als ein Kerngebiet ausgemacht. So soll verstärkt gegen internationale Computerstraftaten, Wirtschaftskriminalität, Drogenhandel sowie Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie vorgegangen werden. EU-Staaten sollen Daten über Pädophile austauschen und im Kampf gegen Kinderpornografie mit der Wirtschaft zusammenarbeiten. Vor allem in Kooperation mit dem Finanzsektor soll der "Geldstrom" zu Webseiten, die den Missbrauch von Kindern zeigen, unterbrochen werden.

Insgesamt sollen auf der Basis des Prinzips der "Verfügbarkeit" von Daten eine "Strategie zum Informationsmanagement für die innere Sicherheit" sowie ein "Informationsaustauschmodell" nach Vorbild des Prümer Vertrags erarbeitet werden. Dabei sei unter voller Wahrung von Prinzipien zum Datenschutz und zur -sicherheit die Interoperabilität von IT-Systemen zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang macht sich das Papier auch für den Einsatz einer EU-Agentur für das Betriebsmanagement einschlägiger Fahndungsdatenbanken wie dem Schengen- oder dem Visa-Informationssystem stark. Im gleichen Atemzug wird der Aufbau eines europäischen Systems zur Auswertung von Flugpassagierdaten nach US-Vorbild gefordert. Eine Nutzung der Passenger Name Records (PNR) sei nötig, um Terroranschläge und schwere Straftaten zu verhindern beziehungsweise aufzuklären.

Der Rahmenplan gibt ferner Anregungen für die Einführung einer elektronischen Registrierungsdatenbank für Ein- und Ausreisen oder eines europäischen Strafregisterinformationssystems. Die Mitgliedsstaaten werden aufgerufen, Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, die vor allem die Früherkennung von Zeichen der Bedrohung und Radikalisierung erlauben sollen. Nicht zuletzt appelliert der Europäische Rat an den Ministerrat und die EU-Kommission unter dem Stichpunkt des gemeinsamen Vorgehens gegen Wirtschaftsstraftaten und Korruption, so schnell wie möglich Strafvorschriften zur "Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte" zu schaffen. Entsprechende Vorstöße sind bislang in Brüssel nicht weit gekommen.

Das EU-Parlament, das sich mit dem Plan noch auseinandersetzen muss, hat sich im Vorfeld kritisch dazu positioniert. Es lehnt einen grenzenlosen Informationsaustausch von Sicherheitsbehörden sowie eine "generalisierte Erfassung von Daten unschuldiger Bürger für präventive und polizeiliche Zwecke" ab. Auch der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx gab Anfang der Woche Bedenken zu Protokoll. Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern sehen bei dem Vorhaben ebenfalls Defizite bei der Sicherung der Privatsphäre der EU-Bürger.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) begrüßte den Beschluss des Programms, das größtenteils auf eine Initiative seines Vorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) und einer von diesem ins Leben gerufenen "Zukunftsgruppe" zurückgeht: "Mit der Weiterentwicklung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts antworten wir auf ein wesentliches Anliegen der Bürger der Europäischen Union." Deutschland habe sich im Rahmen der langen Vorbereitungsphase "in wesentlichen Punkten" durchgesetzt und habe eine "verbesserte und konsolidierte Rechtsetzung" erreicht. (vbr)