FĂĽr Google ist Zensur eine Handelsbarriere

Das Unternehmen übt Druck auf das US-Handelsministerium aus, nach den WTO-Prinzipien Einschränkungen von Informationsdiensten durch Regierungen als sanktionierbare Handelsbarrieren zu verstehen.

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Von
  • Florian Rötzer

Google, ähnlich wie andere Internetunternehmen aufgrund der Unterstützung von Überwachung und Zensur in China sowie wegen des extensiven Sammelns persönlicher Daten unter Kritik geraten, will die US-Regierung dazu bringen, gegen Internetzensur im Ausland vorzugehen. Angekündigt hat zudem beispielsweise Peter Fleischer von Google Deutschland, dass das Unternehmenv seinen deutschen Maildienst schließen würde, wenn die Bundesregierung von den Providern verlangen sollte, dass deren Kunden identifiziert werden können. Wenn die Internetnutzer nicht mehr Google vertrauen könnten, "dass wir mit ihren Daten sorgsam umgehen", meinte Peter Fleischer, sei man "ganz schnell weg vom Fenster".

Auch in den USA will man sich nun gegen Zensur stärker profilieren und hat sich an Politiker gewandt, die sich stärker gegen die weltweit zunehmende Internetzensur einsetzen sollen. Ein Vorschlag von Google ist, dass das US-Handelsministerium Einschränkungen der freien Internetnutzung wie Handelsbarrieren für Waren und Dienstleistungen behandeln sollte. Google hat sich auf die Fahnen geschrieben, nicht böse sein zu wollen ("Don't be evil"), aber der Eintritt für Meinungsfreiheit und gegen Überwachung und Zensur erscheint nicht ganz uneigennützig: Die sich mehrenden Zensurmaßnahmen besonders in Asien und in den muslimischen Ländern könnten nämlich die Vermarktung von Werbung behindern. "Zensur ist die primäre Handelsbarriere, mit der wir konfrontiert sind", sagte Andrew McLaughlin, bei Google zuständig für Regierungsangelegenheiten und öffentliche Politik.

Der Konzern hatte, um im Geschäft zu bleiben, beispielsweise in China die staatlich geforderte Zensur übernommen und wurde deswegen wie andere US-Unternehmen, die in China des Geldes wegen auch Überwachung und Zensur ermöglichen, von Bürgerrechtsorganisationen scharf kritisiert. Zur Rechtfertigung wurde gesagt, dass es für die Chinesen besser sei, Internetzugang zu haben, weil das auf Dauer unkontrollierbare Medium allmählich die Gesellschaften freier mache.

Gretchen Hamel, Sprecherin des US-Handelsministeriums, meinte eher vorsichtig, dass man dann aktiv werde, wenn Zensurmaßnahmen "Handelsbarrieren in Verletzung internationaler Handelsregeln schaffen". Just diese Verbindung zwischen Zensur und Handelsbarrieren hat der Internetrechtler Timothy Wu in einem Aufsatz im letzten Jahr nahegelegt. Das Herunterladen einer Webseite, die im Ausland gehostet ist, könne nach WTO-Prinzipien nämlich bedeuten, dass man einen Informationsservice importiert. Die WTO habe durch das "Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen" (GATS) dafür den Grundstein gelegt. Eine Zensur könne als Handelsbarriere von "Informationsdiensten" verstanden werden und so aufgrund von WTO-Regeln Sanktionen nach sich ziehen.

Wie ernst es dem Konzern wirklich mit der Ablehnung von Zensur ist, bleibt abzuwarten. Googles Vorstand, in dem neben CEO Eric Schmidt auch die beiden Gründer Larry Page und Sergey Brin sitzen, hatte eine Anti-Zensur-Resolution von Anteilseignern, die unter anderem von Amnesty und den Reportern ohne Grenzen unterstützt wurde, vor der jährlichen Hauptversammlung nicht befürwortet: Sie würde mehr schaden als nutzen. Anfang Mai wurde auf der Hauptversammlung die Resolution denn auch abgelehnt.

Siehe dazu auch in Telepolis:

(fr)