Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Freier Systemsoftware auf GerĂ€ten mit Funk-Funktion könnte es bald an den Kragen gehen: In der EU tritt ein Verbot im Juni 2016 in Kraft, in Nordamerika soll es alsbald beschlossen werden. Leidtragende dĂŒrften Hersteller wie DD-WRT sein.
Neue Vorschriften werden es erheblich erschweren, systemrelevante Software in GerĂ€ten mit Funk-Funktion in Eigenregie oder unter Zuhilfenahme fremder Software zu verbessern oder zu installieren. Das EuropĂ€ische Parlament und der Rat haben vergangenes Jahr weitgehend unbemerkt ein Verbot beschlossen (Richtlinie 2014/53/EU), das am 13. Juni 2016 in Kraft tritt. Die US-Regulierungsbehörde FCC plant nun eine gleichartige EinschrĂ€nkung [1], die dann auch Kanada ĂŒbernehmen wĂŒrde. Ein Verbot speziell fĂŒr WLAN-GerĂ€te (5 GHz) ist in den beiden [2] LĂ€ndern, USA und Kanada, bereits in Kraft.
Genau genommen beziehen sich die Restriktionen auf Software, die den Funkbetrieb beeinflusst. Damit soll sichergestellt werden, dass Vorschriften ĂŒber Frequenznutzung, Sendeleistung und Modulationen eingehalten werden. Jedoch sind viele moderne GerĂ€te stark integriert und finden auf nur wenigen oder einem einzigen Baustein Platz (System on a Chip). UnabhĂ€ngig vom guten Willen dĂŒrfte es vielen Herstellern daher schwer fallen, lediglich die Funk-Firmware vollstĂ€ndig gegen Manipulation abzusichern, das restliche System aber offenzulassen.
Da hilft auch die PrĂ€ambel der EU-Richtlinie [3] wenig, in der es heiĂt, dass die Sperre "nicht dazu missbraucht werden (sollte), die Verwendung der Anlagen mit Software von unabhĂ€ngigen Anbietern zu verhindern." Denn Artikel 3, Abschnitt i, schreibt ausdrĂŒcklich vor, dass die Funkanlage sicherstellen muss, "dass nur solche Software geladen werden kann, fĂŒr die die KonformitĂ€t ihrer Kombination mit der Funkanlage nachgewiesen wurde". Und kaum ein Hersteller wird den Nachweis fĂŒhren wollen, dass die von einem Verbraucher ausgewĂ€hlte freie Software die KonformitĂ€t nicht beeintrĂ€chtigt.
Dazu kommt, dass die Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten nicht unbedingt im Detail einheitlich erfolgen dĂŒrfte. Die EU-Kommission hat von der Möglichkeit, detailliertere Bestimmungen ohne Gesetzeskraft zu erlassen, bisher keinen Gebrauch gemacht. Bis zum Inkrafttreten der Richtlinie sind es aber nur noch rund neun Monate.
In den USA regt sich Widerstand
Ăffentliche Aufmerksamkeit gab es bislang keine, selbst die Hersteller wurden offenbar unvorbereitet getroffen. Gegen die geplante Ausweitung in den USA regt sich nun erster Widerstand. Denn davon ist jedes neue Modell betroffen, das eine Funk-Funktion aufweist, nicht nur WLAN-GerĂ€te. Diverse Organisationen werden dazu aufrufen, der FCC die Meinung zu sagen. Dazu hat jedermann bis zum 9. Oktober 2015 Gelegenheit, auch AuslĂ€nder; den Termin hatte die FCC auf Wunsch der Industrie um einen Monat verlĂ€ngert.
Software Defined Radios dĂŒrfen schon seit Jahren nur mit abgesicherte Software ausgeliefert werden. Wie die FCC feststellt, sind Produkte mit SDR aber selten. Warum nun gerade die Ausweitung der SDR-Vorschriften auf alle Produkte hilfreich sein soll, bleibt undeutlich.
DD-WRT muss weg
FĂŒr klassische 5-GHz-WLAN-Module gelten die nordamerikanischen EinschrĂ€nkungen bereits seit drei Monaten. Sie sind Vorbild fĂŒr die geplanten allgemeinen Restriktionen. Neue Modelle von WLAN-GerĂ€ten dĂŒrften vorerst nur mit DRM (Digital Restrictions Management) auf den Markt kommen, sodass die EigentĂŒmer keine Verbesserungen vornehmen können. In neun Monaten tritt zusĂ€tzlich ein Vertriebsverbot fĂŒr frĂŒher genehmigte Modelle in Kraft. Es hat den Anschein, dass fĂŒr diese dann sogar einfache Software-Updates, etwa gegen SicherheitslĂŒcken, illegal werden.
AuffĂ€llig ist, dass die Behörde ihren Unterlagen zu den 5-GHz-GerĂ€ten nur eine Software namentlich nennt: Die verbreitete Router-Firmware DD-WRT. "Beschreiben Sie im Detail, wie das GerĂ€t gegen 'flashen' und die Installation von Drittanbieter-Firmware wie DD-WRT geschĂŒtzt ist", heiĂt es in den Anweisungen an GerĂ€tehersteller oder -importeure (siehe Download unten).
DD-WRT steht aber offenkundig nur als Beispiel fĂŒr beliebige Betriebssysteme da, die Nutzer bisher in Eigenregie auf ihre GerĂ€te aufspielen können. Diese rigide Haltung leuchtet nicht ein. Beispielsweise arbeitet DD-WRT mit Linksys und Marvell, dem Zulieferer des WLAN-Bausteins zusammen, um die Linksys-Router WRT1900AC und WRT1200AC mit seiner eigenen Firmware ausstatten zu können [4] â und den entscheidenden Treiber dafĂŒr, entwickelt DD-WRT nicht selbst, sondern bezieht ihn von Linksys und Marvell.
Marktabschottung
Die Hersteller mĂŒssen auĂerdem die Installation freier Software, die fĂŒr andere Regionen als die USA konzipiert ist, unterbinden. Das dĂŒrfte manchen Anbietern gelegen kommen: Weil die US-Version andernorts illegal sein kann, verhindert diese EinschrĂ€nkungen den rechtskonformen Betrieb vieler GerĂ€te in anderen LĂ€ndern. Somit sind abgeschottete MĂ€rkte zwischen Kontinenten und LĂ€ndern vorstellbar und damit auch gröĂere Preisunterschiede.
Wie alternative Software konkret drauĂen gehalten werden soll, schreibt die FCC indes nicht vor. Sie empfiehlt allgemein die Anwendung von "Industriestandards fĂŒr starke Sicherheit und Authentifizierung." Dann möchte die Behörde aber schon wissen, welche SicherheitsmaĂnahmen und -systeme es gibt, die sicherstellen, dass "nur ordentlich authentifizierte Software vom GerĂ€t geladen und betrieben" wird.
Ungeahnte Folgen
Das geplante Verbot hĂ€tte weitreichende Folgen fĂŒr IT-Sicherheit und Wettbewerb. FĂŒr freie Software gibt es oft auch dann noch Sicherheits-Updates, wenn sich der Hersteller nicht mehr schert, nicht mehr existiert oder aufgrund von undurchsichtigen Importwegen im Dunkeln bleibt. Zudem wird Netz-Hardware in sicherheitskritischen Einrichtungen hĂ€ufig mit modifizierter Firmware versehen, die ein Sicherheits-Audit durchlaufen hat und nur ein Minimum an Funktionen aufweist. Denn weniger Funktionen reduzieren das Risiko.
Indes wĂŒnschen sich Verbraucher meist zusĂ€tzliche Funktionen. Die derzeit bestehende Konkurrenz durch DD-WRT im Routermarkt, CyanogenMod bei Smartphones, Linux bei Laptops und PC sowie durch andere alternative Systeme, hĂ€lt die Hersteller auf Trab und gleichzeitig die Preise im Zaum. FĂ€llt diese Konkurrenz weg, könnte es fĂŒr Verbraucher teuerer werden.
Lösung denkbar, aber schwierig
Zwar könnte ein Teil des Problems durch entsprechende System-Designs gelöst werden, bei denen die Funkparameter komplett von anderen Treiber- und Systemfunktionen abgeschottet sind. Dann mĂŒsste nur die Manipulation der Funk-Parameter verhindert werden. Mit guter Dokumentation könnten unabhĂ€ngige Fachleute dann wieder kompatible Alternativsoftware schreiben.
Doch haben die meisten Hersteller wenig Interesse daran, neue System-Designs zu forcieren. Schon jetzt fehlen zu oft offene Treiber. Und auch die freie Software schreibt sich nicht von selbst. Sollten die Funk-Parameter einmal geĂ€ndert werden mĂŒssen, etwa weil sich Vorschriften Ă€ndern, eine SicherheitslĂŒcke entdeckt wurde, oder der Nutzer mit seinem GerĂ€t in ein Land mit anderen Funkvorschriften umzieht, wĂŒrde das GerĂ€t plötzlich nutzlos.
Das Nachsehen hĂ€tten auch lizenzierte Funkamateure: Sie verwenden heute gerne gĂŒnstige handelsĂŒbliche GerĂ€te mit verĂ€nderten Einstellungen. Dazu sind diese Betreiber qua ihrer Lizenz berechtigt. Sobald das technisch unterbunden ist, mĂŒssen sie weitaus teurere Spezialprodukte kaufen, oder aufs Funken verzichten.
[Update]: 03.9.2015, 18:15, Frist fĂŒr Eingaben bei der FCC korrigiert [/Update]
[Update]: 03.9.2015, 19:58, VerlÀngerung der Eingabefrist nachgetragen [/Update]
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Software Security Requirements fĂŒr WLAN-GerĂ€te im 5-GHz-Band
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(FCC-Dokument als PDF)
(ds [6])
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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.federalregister.gov/articles/2015/08/06/2015-18402/equipment-authorization-and-electronic-labeling-for-wireless-devices#
[2] http://www.ic.gc.ca/eic/site/smt-gst.nsf/eng/sf10971.html#s2.1
[3] http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A32014L0053&from=EN
[4] https://www.heise.de/news/WRT-Betriebssysteme-fuer-neue-WLAN-Router-oder-auch-nicht-2188821.html
[5] https://www.heise.de/downloads/18/1/5/7/9/4/3/6/GetAttachment.pdf
[6] mailto:ds@heise.de
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