Fusionspoker: Telekom in Zugzwang

Der Bonner Telefonriese strebt Allianzen in Europa und Nordamerika an.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Wenn Telekom-Chef Ron Sommer über Strategien und Allianzen spricht, ist er um große Worte nicht verlegen: ein breit aufgestellter Telematik-Anbieter und europäischer Weltmarktführer soll der Bonner Telefonriese einmal werden. Doch davon sind Sommer und seine Vorstandskollegen noch ein Stück entfernt. 1999 musste die Telekom durch den harten Preiswettbewerb nicht nur Gewinn- und Umsatzbußen einstecken. Herbe Rückschläge verzeichnete der einstige Telefon-Monopolist auch bei seinen Plänen zur Internationalisierung des Unternehmens.

Dabei gilt die Schlappe bei der Telecom Italia schlechthin als Pleite des Jahres. Die geplante Fusion scheiterte, weil der ehemalige Büromaschinenhersteller Olivetti die Telekom-Pläne durchkreuzte und Telecom Italia feindlich übernahm. Gleichzeitig vergraulte sich Sommer durch seine italienische Episode den Partner France Telecom. Mit den Franzosen und der US-Firma Sprint ist der rosa Riese an dem bislang wenig erfolgreichen Gemeinschaftsunternehmen Global One beteiligt, das vor der Auflösung steht.

Bei der US-Firma Sprint kam Sommer nicht zum Zuge, weil der Telekommunikations-Gigant MCI Worldcom im Herbst ein Übernahmeangebot von gut 120 Milliarden DM vorlegte. "Eine Serie von Pleiten, Pech und Pannen begleiteten viele Auslandsengagements der Telekom von Anfang an", resümierte "Der Spiegel".

Das sieht Telekom-Stratege Sommer freilich anders: Allein die zehnprozentige Beteiligung an Sprint werde einen Nettoertrag von 14 Milliarden DM einspielen, und zwar steuerfrei. Außerdem sei die Telekom jetzt von ihren Fesseln in Nordamerika befreit und werde zugreifen, wenn sich eine Gelegenheit ergebe. "Uns wird es nicht langweilig", sagt Sommer und kündigt Überraschungen für das Jahr 2000 an. Doch welche großen Partner bleiben in den USA noch, nachdem sich dort zahlreiche Telekommunikations-Firmen zu neuen Allianzen gefunden haben?

Zur Telekom passen würden die US-GSM-Mobilfunkbetreiber Omnipoint, Powertel, Voicestream und Aerial mit insgesamt 2,5 Millionen Teilnehmern, glaubt Frank Wellendorf von der WestLB Panmure. Diese Unternehmen könnten in etwa so teuer sein wie der Erwerb von One2One, des viertgrößten britischen Mobilfunkbetreibers. "Der Markt spricht eine eindeutige Sprache: der Telekom wird einiges zugetraut", sagt der WestLB-Analyst.

Der Kauf von One2One für 20 Milliarden DM war denn auch das Glanzstück Sommers in diesem Jahr. Dabei scheint der Handlungszwang für die Telekom im Mobilfunk am größten zu sein. Dieser Bereich gilt als Wachstumsträger in der Telekommunikation schlechthin und ist für die Telekom eine wesentliche Ertragssäule. Mit dem neuen Standard UMTS und der mobilen Datenkommunikation eröffnen sich zudem künftig große Marktchancen.

Im Mittelpunkt von Übernahmespekulationen steht derzeit die französische Bouygues Telecom, der drittgrößte Mobilfunkbetreiber des Landes (rund 2,3 Millionen Kunden). Sommer werden große Ambitionen nachgesagt, das Unternehmen zu kaufen. Sollte Bouygues tatsächlich eine von Sommers Überraschungen im kommenden Jahr werden, würde die Telekom in Frankreich ein größeres Stück nach vorne kommen. Dies wäre zugleich für France Telecom eine bittere Pille, da sie selbst bei E- Plus in Deutschland nicht zum Zuge gekommen war.

Um Zukäufe finanzieren zu können, wird die Telekom im kommenden Jahr unter anderem die beiden Töchter T-Mobil (D1) und T-Online an die Börse bringen. Mit dem Verkauf des TV-Kabels will das Unternehmen zusätzlich mehrere Milliarden DM einspielen. Bis zur Jahresmitte soll der Verkauf dann abgeschlossen werden. Für seine Ausbau-Strategie kann Sommer das Finanzpolster gut gebrauchen. Wellendorf: "Es wird zu Akquisitionen kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche". (Peter Lessmann, dpa) (cp)