GPS-Jamming: Ostseeraum erlebt großflächige Ausfälle

Seit Monaten gibt es im Ostseeraum Störungen von Signalen der Navigationssatelliten. Wer dahinterstecken könnte und wie die EU-Flugsicherheitsbehörde reagiert.

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Viele Satelliten

(Bild: CG Alex/Shutterstock.com)

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Inhaltsverzeichnis

Im Ostseeraum mehren sich Berichte von offenbar gezielten Störungen der Signale von Navigationssatelliten. Dies betreffe besonders die Schifffahrt und den Flugverkehr in dem Bereich. Die GPS- bzw. GNSS-Ausfälle reichen Medienberichten zufolge bis nach Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg und haben ihren Schwerpunkt im östlichen Bereich der Ostsee. Über die Herkunft gibt es bislang nur Spekulationen.

Beim GPS-Jamming werden die Frequenzen der Satelliten mit Signalen vom Boden überdeckt. Da die Navigationssatelliten sehr schwache Signale aussenden, genügen hierfür schon sehr kleine Transmitter, die es für wenig Geld im Netz zu kaufen gibt. Die Interferenzen stören die Funktion von GPS-basierten Zeitstempeln und Synchronisationssystemen. Schauplätze von GPS-Störungen sind laut Experten häufig der Nahe Osten, insbesondere der östliche Mittelmeerraum, Irak, Libanon, Libyen, Zypern, die Türkei und Armenien.

In dem großen Stil, wie besonders rund um den Jahreswechsel GPS-Ausfälle im Ostseeraum beobachtet wurden, sind allerdings größere, professionelle Anlagen nötig. Es wird vermutet, dass es sich um militärisches Equipment handelt. Eine andere Art der Beeinflussung von Navigationssystemen ist das sogenannte Spoofing. Hierbei werden falsche Positionsdaten ausgesendet. Das OSINT-Projekt GPSJAM.org hat auf einer Karte das Ausmaß der Störungen visualisiert. Die Betreiber der Seite werten hierzu ADS-B-Daten von Flugzeugen aus, die Informationen über die GPS-Genauigkeit enthalten.

Neben dem US-amerikanischen GPS sollen auch das europäische Galileo, das russische GLONASS und das chinesische Beidou betroffen sein. Sie alle werden unter dem Oberbegriff GNSS zusammengefasst.

Der dänische TV-Sender TV2 berichtet, dass bereits im Oktober 2022 erste Schiffskapitäne von großflächigen GPS-Ausfällen vor Dänemark berichteten. Dieser Vorfall ereignete sich eine Woche nachdem Sabotageakte an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 verübt wurden. Seither kam es in skandinavischen Ländern, den baltischen Staaten und Polen immer wieder zu Störungen.

Laut GPSJAM sind vor allem rund um die russische Exklave Kaliningrad herum Störungen aufgetreten, weshalb einige vermuten, dass die Ausfälle von Russland ausgehen. Dazu würden GPS-Störungen passen, die im Dezember 2022 im Westen Russlands auftraten und offenbar dazu dienten, Drohnenangriffe zu verhindern. Die militärische Fähigkeit, GPS-Signale in großem Umkreis zu stören, besäßen aber auch NATO-Einheiten.

Am 25. Dezember 2023 war das Ausmaß der GNSS-Störungen im Ostseeraum besonders ausgeprägt.

(Bild: GPSJAM.org)

Der NDR berichtet, dass das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Nachforschungen zu den Störungen an der Ostsee angestellt hat, zu den Ergebnissen aber schweigt. Auch die Bundeswehr bestätigte dem Rundfunk das Auftreten von Störungen.

Die European Union Aviation Safety Agency (EASA) berichtete diesen Monat, dass Fluglinien "einen deutlichen Anstieg der Vorfälle von GNSS-Interferenzen" verzeichneten. Um dem entgegenzuwirken, benötigte die Agentur eine koordinierte Sammlung und gemeinsame Nutzung von GNSS-Sicherheitsdaten. Traditionelle Navigationssysteme müssten als Backup vorgehalten werden.

(mki)