Gaia-X: Cloudprovider Scaleway zieht die Reißleine und tritt aus

Das europäische Cloud-Projekt Gaia-X hat ein prominentes Mitglied weniger. Der französische Cloudbetreiber Scaleway verlängert seine Mitgliedschaft nicht.

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Peter Altmaier

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier spricht beim virtuellen Gaia-X Fachforum seines Ministeriums.

(Bild: dpa, Bernd von Jutrczenka/dpa)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Jan Mahn

Nicht weniger als die digitale Unabhängigkeit von den USA sollte Gaia-X bringen. Das Projekt, angeschoben von Wirtschaftsminister Peter Altmaier und seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire, sollte eine "vernetzte Dateninfrastruktur als Wiege eines vitalen, europäischen Ökosystems" werden, wie es im Titel eines ersten Grundlagenpapiers hieß. Um dieses Ziel zu erreichen, gründeten die beiden Länder und Wirtschaftsunternehmen eine gemeinnützige Organisation nach belgischem Recht. Und die hat zukünftig ein Mitglied weniger: Der französische Cloudprovider, der sechs Rechenzentren in Europa betreibt und Gründungsmitglied der Gaia-X-Organisation ist, hat angekündigt, seine Mitgliedschaft nicht zu verlängern.

"Obwohl die Ziele des Verbandes ursprünglich nobel waren, werden diese durch ein Polarisierungsparadoxon verlangsamt und verlagert, das für ein unausgeglichenes Spielfeld sorgt. Scaleway wird seine Zeit, Geld und Aufmerksamkeit auf sein Multi-Cloud-Produktangebot konzentrieren – ein Schlüsselfaktor für echte Flexibilität und Offenheit”, lässt sich Yann Lechelle zitieren, CEO von Scaleway. Die verklausulierte Formulierung lässt Raum für Interpretation. Die angedeutete Kritik, dass nicht richtig klar ist, welche Ziele Gaia-X verfolgt, begleitet das Projekt schon vom ersten Tag.

Die europäischen Cloudprovider haben sich Standardisierungen erhofft, damit Unternehmenskunden mit weniger Umstiegsaufwand ihre Dienste von US-Anbietern nach Europa holen können. In diesem Feld ist auch Scaleway aktiv, nennt sich selbst "Multi-Cloud-Anbieter" und bietet neben eigenen Ressourcen auch einen Multi-Cloud-Loadbalancer an, der Lasten über verschiedene Anbieter (europäische und US-amerikanische) verteilt.

Die Vorstellung anderer Gaia-X-Beteiligter geht aber in eine andere Richtung. Insbesondere die (Automobil-)Industrie träumt von gemeinsamen Datenräumen, über die Telemetrie- und Maschinendaten mit anderen geteilt werden können und arbeitet innerhalb von Gaia-X-Gremien an Prototypen zum Datenteilen und -auswerten. Solche Ideen richten sich vorwiegend an große Konzerne, die eigene Abteilungen mit neuen Datenauswertungsprojekten beauftragen können. Die Probleme von Mittelständlern, die für ihr Alltagsgeschäft eine DSGVO-konforme Alternative zu US-Anbietern suchen, lösen solche Projekte nicht.

Den Termin für den Ausstieg hat Scaleway nicht zufällig gewählt. Am 18. und 19. November findet der Gaia-X-Summit 2021 statt. Auf der Agenda der Veranstaltung stehen Vorträge von Politikern und Vertretern aus der Wirtschaft, die über die Arbeit am Projekt berichten.

(jam)