Gedächtnisstrategien von Rabenvögeln mit denen des Menschen vergleichbar

Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie Dohlen ihr Arbeitsgedächtnis durch Kategorisierung von Farbreizen optimieren, ähnlich wie es Menschen und Primaten tun.

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Rabe
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dr. Volker Zota
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Forschende der Ruhr-Universität Bochum sowie der Universitäten Princeton und Stanford haben Parallelen in der Gedächtnisoptimierung von Primaten und Rabenvögeln aufgezeigt. Die bereits im November im Fachjournal "Communications Biology" veröffentlichte Studie unter der Leitung von Aylin Apostel und Prof. Dr. Jonas Rose von der Fakultät für Physiologie der Ruhr Universität Bochum zeigt, dass Rabenvögel ihr Arbeitsgedächtnis verbessern, indem sie kontinuierliche Reize kategorisieren.

Die Forschenden trainierten für ihre Untersuchungen zwei Dohlen (Corvus monedula) – besonders schlaue Vertreter aus der Familie der Rabenvögel – darauf, sich Farben möglichst genau zu merken und später aus einem Farbrad auszuwählen.

Das Rad umfasste 64 verschiedene Farben. Die Dohlen wurden darauf trainiert, eine bestimmte Farbe dieses Rades zu erkennen und sich über verschiedene Zeiträume hinweg daran zu erinnern. Die Vögel absolvierten dabei knapp 120.000 respektive 76.000 Versuche in über 270 Sitzungen. Sobald sie eine Farbe richtig identifizierten, erhielten sie eine Futterbelohnung. Die Menge des Futters variierte in Abhängigkeit von der Genauigkeit der Farberkennung, wobei eine höhere Genauigkeit zu einer höheren Belohnung führte. Dieses abgestufte Belohnungssystem motivierte die Vögel, so genau wie möglich zu antworten.

Um die Gedächtnisleistung der Dohlen umfassend zu testen, wurden sie verschiedenen Herausforderungen ausgesetzt. In einigen Durchgängen mussten sie sich eine einzelne Farbe über einen längeren Zeitraum merken. In anderen Durchgängen mussten sie sich mehrere Farben gleichzeitig merken. Diese Variation der Testbedingungen ermöglichte es den Forschenden, die Auswirkungen unterschiedlicher Gedächtnisbelastungen auf die Leistung der Vögel zu beobachten.

Die Genauigkeit der Auswahl wurde durch verschiedene Verzögerungszeiten und Gedächtnisbelastungen beeinflusst."Wie das Arbeitsgedächtnis funktioniert, zeigt sich zum Beispiel an den Herausforderungen für Servicepersonal, das sich größere Bestellungen merken muss. Ähnlich wie Menschen zeigen auch Rabenvögel eine verminderte Genauigkeit und eine Tendenz zur Voreingenommenheit, wenn das Arbeitsgedächtnis stärker beansprucht wird", erklärt Aylin Apostel.

Die Studie zeigt, dass die Leistung der Vögel abnimmt, wenn das Arbeitsgedächtnis stärker beansprucht wird, was auf eine kategoriale Verarbeitung von Informationen hindeutet. Diese kategorisierende Verarbeitung könnte eine allgemeine Strategie sein, um mit den begrenzten Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses umzugehen.

Bei beiden Vögeln (SPA und ABR) zeigte die normalisierte Häufigkeit der Schnabelhiebe pro Ziel-Farbe deutliche Spitzen und Täler, was auf eine gebündelte Verteilung der Reaktionen hinweist. Mit zunehmender Beanspruchung des Arbeitsgedächtnisses (WM: Work Memory) ging das Antwortverhalten von kontinuierlich zu kategorisierend über, erkennbar an stärkeren Abweichungen von der Diagonalen und dem Auftreten von Clustern.

(Bild: Communications Biology)

Ein zentraler Aspekt der Studie ist die sogenannte Attraktordynamik (das Verhalten von dynamischen Systemen in der Nähe von Attraktoren). "Die Attraktordynamik ist ein grundlegender Prozess im Gehirn von Rabenvögeln und Primaten, der Erinnerungen geschickt in bestimmte Kategorien lenkt. Die Gedächtnisleistung wird dadurch teilweise verzerrt und damit ungenauer, aber insgesamt verbessert", erläutert Jonas Rose.

Dass dieses Prinzip in den Gehirnen von Rabenvögeln und Primaten gleichermaßen effektiv funktioniert, obwohl sich ihre evolutionären Wege deutlich unterscheiden, deutet darauf hin, dass es sich um ein grundlegendes biologisches Prinzip für die effiziente Nutzung des Arbeitsgedächtnisses handelt.

Die Forschenden sehen in der Entdeckung gemeinsamer Prinzipien in verschiedenen Gehirnen vielversprechende Ansätze für die Weiterentwicklung allgemeingültiger Modelle, die die kognitive Funktionsweise von Tieren und Menschen erklären.

(vza)