Gedruckte Elektronik war gestern, jetzt kommen flexible Systeme

Selbstregelnde Lenkradheizung, Perowskit für effizientere Photovoltaik, Sensoren im Pflaster – gedruckte Elektronik hat ihren Weg in die Praxis gefunden.

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Bis vor gar nicht langer Zeit sah man auf Veranstaltungen wie der Reshaped in Berlin oder der LOPEC in München vor allem semitransparente Plastikfolien, die mit allerlei Mustern aus elektrisch leitender Tinte bedruckt waren. Manchmal leuchteten darauf ein paar LED oder es handelte sich um aktive RFID-Tags. Auf der diesjährigen Reshaped ist der Wandel unübersehbar: Statt kleiner Muster werden in Berlin handfeste Systeme vorgestellt, in denen die gedruckte Elektronik aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften einen Platz gefunden hat

Dazu gehören beispielsweise dünne Heizmatten aus gedrucktem PTC-Material (Positive Temperature Coefficient), wie sie Celanese für Siebdruckverfahren produziert. PTC ändert seinen Widerstand exponentiell mit steigender Temperatur und begrenzt so ohne weitere Sensorik den Stromfluss und damit die Wärmeentwicklung in der bedruckten Matte. Solche Heizmatten finden sich heute in vielen Autos mit Sitzheizung und beheizbaren Lenkrädern.

Die im preiswerten Siebdruckverfahren hergestellten Matten aus selbstregulierendem PTC sorgen im Auto für warme Hintern.

Mit ihrer Flexibilität, dem geringen Gewicht und der Platz sparenden Integrationsmöglichkeit sticht die gedruckte Elektronik die modulare Platinenkonkurrenz locker aus. Vor allem auch, weil die hochintegrierten Systemlösungen den Designern deutlich mehr Freiheiten geben als ein aus vielen Einzelbauteilen und mechanischen Schaltern zusammengesetztes System. Allerdings hat die Komplexität auch Nachteile: Wenn ein System nach dem Zusammenschweißen oder Verkleben nicht funktioniert, sind Reparaturen meist zu aufwendig oder gar unmöglich und man muss das komplette System durch ein funktionierendes neues System ersetzen.

Auch Wolfgang Mildner sieht den Wandel vom Drucken zum Kombinieren. "Die gedruckte Elektronik kommt dorthin, wo sie bisher nie war oder sein konnte", erklärt der General Chair der Fachmesse LOPEC (Large Area, Organic & Printed Electronics Convention) und Fellow der Organic Electronics Association OE-A. Es geht darum, wie sich die Drucklösungen ins System fügen, also wie sie angeschlossen werden können oder sich am besten mit anderer Elektronik kombinieren lassen. Hier bieten sich laut Mildner im Automobilbereich besonders viele Einsatzmöglichkeiten. Wobei die gedruckten Varianten nicht unbedingt billiger sein müssen und die Vorteile – leichter, flexibel, 3D-formbar, dehnbar – den möglicherweise höheren Preis wettmachen können.

Gedruckte Elektronik (3 Bilder)

Weil die bedruckte Platine mit dem Gehäuse vergossen wird, kann man das Autodeckenlicht bei Defekten nur noch komplett austauschen, aber nicht mehr reparieren.
(Bild: Ulrike Kuhlmann, c't)

Die größten Einsatzgebiete sind derzeit die Bereiche Displays und Beleuchtung, erklärt Mildner. Zugelegt habe die gedruckte Elektronik im Bereich der Sensorik und angesichts der Energiewende geraten auch die organische Photovoltaik (OPV) und die sogenannten Perowskite in den Fokus. Photovoltaikmodule aus organischen Zellen lassen sich auf flexible Träger aufbringen, an geformte Oberflächen adaptieren und sie sind deutlich leichter als PV auf Siliziumbasis.

Photovoltaik-Zellen aus organischem Material wie hier vom Fraunhofer IAP sind wesentlich leichter und flexibler als herkömmliche PV-Zellen aus Silizium.

(Bild: Ulrike Kuhlmann, c't)

Perowskite erzielen mit 20 bis 23 Prozent einen ähnlichen Wirkungsgrad wie Silizium-basiertes PV. Man kann das Material bei niedriger Temperatur und ohne Vakuum auf ein Substrat aufsprühen oder aufdrucken; die flüssige Lösung kristallisiert anschließend in der namensgebenden Struktur aus. Perowskite erzeugen aus blauem und grünem Licht elektrischen Strom, herkömmliche Solarzellen nutzen vor allem die roten Lichtanteile. Deshalb ergänzen sich Silizium und Perowskit sehr gut in Tandemzellen, deren Wirkungsgrad bei über 30 Prozent liegt.

Allerdings enthalten Perowskit-Solarzellen gesundheits- und umweltschädliches Blei, zudem müssen die Kristalle vor Feuchtigkeit geschützt werden und ihre Lebensdauer ist noch gering. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam forscht zusammen mit 13 Partnern aus der EU im Rahmen des EU-Projekts Sunrey an Perowskit-Solarzellen. Auf der Reshaped zeigt das IAP außer flexiblen Solarzellen auch kleine Displays aus gedruckten Quantenpunkten.

Das Fraunhofer IAP bringt in Flüssigkeit gelöste Quantenpunkte mit einem speziellen Druckverfahren in bis zu 7 Mikrometer feinen Strukturen auf.

(Bild: Ulrike Kuhlmann, c't)

Das Danish Technological Institute, quasi das dänisches Pendant zu den deutschen Fraunhofer Instituten, hat sich auf leitfähige Textilien für Sport, Freizeit und Monitoring mit smarten Textilien spezialisiert. So erkennen beispielsweise Sensoren in einer Art Ärmel bei Schreibtischarbeit (Mausbewegungen) frühzeitig Überbelastung und können so einen schmerzhaften Tennisarm verhindern.

Das dänische Forschungsinstitut DTI entwickelt smarte Textilien für Sport, Freizeit und Monitoring.

(Bild: Ulrike Kuhlmann, c't)

Der Einsatz in medizinischen Bereichen erfordert jedoch einiges mehr als die reine Entwicklung smarter Textilien, berichtet Wolfgang Mildner. Weil hier vor einer Zulassung medizinische Studien durchgeführt werden müssen und jedes elektronische Gerät eine Medizin-CE benötigt, wechseln etliche Firmen vom Einsatz in der Medizin zum Lifestyle- und Sportbereich. So sind auch auf der Reshaped in Berlin fast keine Exponate für explizite medizinische Anwendungen ausgestellt. Smarte Textilien, mit denen sich Körperwerte erfassen lassen, findet man dagegen an etlichen Ständen.

(uk)