Gegen bezahlte Play-Listen: EU-Abgeordnete wollen Streaming-Markt regulieren

Betrug, KI-generierte Inhalte, Payola-Systeme und Manipulation bedrohen laut den Parlamentariern den legalen Streaming-Sektor. Plattformen sollen gegensteuern.

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Frau hört mit Kopfhörern

(Bild: Blanscape/Shutterstock.com)

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Der Kulturausschuss des EU-Parlaments fordert Vorgaben, um ein faires und nachhaltiges Umfeld für Musik-Streaming zu gewährleisten und die kulturelle Vielfalt zu fördern. In einer mit 23 zu drei Stimmen bei einer Enthaltung am Dienstag angenommenen Entschließung drängen die Abgeordneten darauf, Ungleichgewichte in diesem Sektor zu beseitigen. So erzielten etwa die meisten Künstler derzeit nur sehr geringe Einnahmen. Die derzeit geltenden, vor der Digitalisierung eingeführten Vergütungsstandards müssten überarbeitet werden.

Die Volksvertreter verurteilen mit der Resolution zudem den Einzug von Payola-Systemen in den Online-Markt: Bezahlte Play-Listen sind ihnen zufolge das moderne Pendant zur Bestechung von DJs und Programm-Redakteuren im Rundfunk. Urheber würden so dazu gezwungen, geringere oder gar keine Einnahmen im Austausch für mehr Sichtbarkeit zu akzeptieren.

Streaming-Plattformen dominierten zwar längst den Musikmarkt und wüchsen seit acht Jahren stetig, heißt es in dem Bericht, der im Januar noch durchs Plenum muss. Trotzdem gebe es bislang keine EU-Vorschriften zur Regulierung des Sektors. Verschärft werde die Situation durch den Rückgang des Gesamtwerts von Musikproduktionen, wobei sich die Einnahmen in den Händen großer Labels und der populärsten Künstler konzentrierten. Als weitere Missstände beklagen die Parlamentarier die Zunahme von Inhalten, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) generiert wurden, und Streaming-Betrug etwa über Bots und andere Manipulationen sowie die illegale Nutzung von Musikinhalten durch Plattformen.

Die Abgeordneten fordern von der EU-Kommission die Vorlage eines Gesetzentwurfs, der Online-Portale und Anbieter wie Spotify, Deezer, Apple oder YouTube dazu verpflichtet, ihre Algorithmen und Empfehlungswerkzeuge transparent zu machen. Die Betreiber müssten ferner sicherstellen, dass "europäische Werke sichtbar und zugänglich sind". Nötig sei etwa ein Diversitätsindikator, um die Vielfalt der verfügbaren Genres und Sprachen sowie die Präsenz unabhängiger Künstler bewerten zu können.

Streaming-Plattformen sollen zudem dazu verpflichtet werden, Rechteinhaber durch die korrekte Zuordnung von Metadaten zu identifizieren. Dies könne die Entdeckung ihrer Werke erleichtern und Streaming-Betrug verhindern. Werke, die allein durch KI erzeugt worden sind, müssten mit einem Label markiert werden. Dazu kommt der Appell, mehr in europäische Musik sowie lokale Interpreten und Band sowie Nischenkünstler zu investieren, um ein vielfältigeres Repertoire anzubieten und die Werkschöpfer bei der digitalen Transformation ihrer Geschäftsmodelle zu unterstützen.

"Die Erfolgsgeschichte der Musik-Streamingdienste hat ihre eigenen Paradoxien", begründete Berichterstatter Ibán García Del Blanco von den spanischen Sozialdemokraten die Initiative. Die Mehrheit der Autoren und Interpreten erhalte keine Vergütung, "die es ihnen ermöglicht, sich einen angemessenen Lebensunterhalt zu leisten". Es sei daher entscheidend, die Rolle der Urheber im Musiksektor anzuerkennen und das von Streaming-Diensten verwendete Umsatzverteilungsmodell zu überprüfen. Ein solcher Ansatz werde auch den Musikmarkt und die damit verknüpften Institutionen voranbringen.

Die Musikindustrie geht selbst bereits gegen Streaming-Manipulationsdienste vor. Stars wie Helene Fischer, Marius Müller-Westernhagen, Sarah Connor, Herbert Grönemeyer und Peter Maffay starteten 2020 zudem eine Initiative, um die dank Streaming wieder stärker sprudelnden Einnahmequellen gerechter unter den Künstlern aufzuteilen. Die Allianz macht sich dafür stark, die übliche anteilige Abrechnung durch ein nutzungsbasiertes System zu ersetzen, bei dem die Zahl der Hörer entscheidend ist.

(mho)