Geheimaufträge für Lucent erschweren Fusion mit Alcatel

Aus Lucents renommierten "Bell Labs" stammen nicht nur Transistoren und Betriebssysteme, sondern auch Know-how für Geheimdienste und Militär. Um das lukrative Geschäft zu behalten, wird die Bildung einer abgeschotteten Abteilung diskutiert.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Die Fusionsabsichten des US-Telecom-Ausrüsters Lucent mit seinem französischen Wettbewerber Alcatel werfen in den USA Fragen der nationalen Sicherheit auf. Dies berichten übereinstimmend die New York Times und das Wall Street Journal. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen Lucents traditionsreiche Bell Labs, die in ihrer über 80-jährigen Geschichte maßgeblich an der Entwicklung des Transistors beteiligt waren und das Betriebssystem Unix entwickelt haben.

Zugleich zählten und zählen zu den Auftraggebern der Bell Labs das US-Militär und Sicherheitsbehörden; unter anderem gibt es Aufträge für Telecom-Infrastruktur im Irak sowie für die US Army, darüber hinaus Know-how zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs. Zwar betrug das Volumen der als geheim eingestuften Aufträge nach Informationen des Wall Street Journal im Jahr 2005 100 Millionen US-Dollar und damit gerade ein Zwölftel des Forschungsetats der Bell Labs, doch hat Lucent nach der Telecom-Krise in den Jahren 2001 bis 2003 die geheimen Staatsaufträge als verlässliche Einnahmequelle wiederentdeckt.

Obwohl Alcatel und Lucent ihre Fusion als "merger of equals" bezeichnen, hält es die New York Times für wahrscheinlich, dass die US-Behörden den Deal als Übernahme eines US-Unternehmens durch eine französische Firma einstufen, da Alcatel deutlich mehr Umsatz erzielt als Lucent. Den Berichten zufolge hat das dem US-Finanzministerium unterstehende Committee on Foreign Investment zunächst 30 Tage Zeit, die Fusion unter formalen Gesichtspunkten zu prüfen. Möglich sind eine anschließende, 45-tägige Untersuchung des Deals und als ultima ratio die Vorlage beim US-Präsidenten, um eine Entscheidung zu erzielen. Um eine komplette Abtrennung der Bell Labs oder eine Trennung vom lukrativen Staatsgeschäft zu vermeiden, wird die Einrichtung eines so genannten "Proxy Board" (sinngemäß: Stellvertretergremium) für den Geheimbereich diskutiert, das ausschließlich aus US-Amerikanern besteht und das diesen Geschäftsbereich überwacht. (ssu)