Gekrümmte Universen im Quantenfeldsimulator

Forschende der Uni Heidelberg bauen einen Simulator, mit dem sich im Labor eine ganze Familie von Universen mit Krümmung beobachten lässt.

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(Bild: Kirchhoff-Institut für Physik, Universität Heidelberg)

Lesezeit: 3 Min.

Physikerinnen und Physiker der Universität Heidelberg melden, einen Quantenfeldsimulator entwickelt zu haben, mit dem sich gekrümmte Universen simulieren lassen. Ein solcher Simulator ist bedeutsam, weil man damit manche kosmischen Phänomene erstmals messen könnte, beispielsweise die Produktion von Teilchen aufgrund der Expansion des Raums und die Raumzeitkrümmung.

"Kosmologische Fragestellungen laufen normalerweise auf unvorstellbar großen Skalen ab. Diese ganz konkret im Labor untersuchen zu können, eröffnet ganz neue Möglichkeiten der Forschung, indem wir neue theoretische Modelle experimentell testen", sagt Celia Viermann, die Erstautorin der Publikation, die im November im Fachblatt Nature erschienen ist (Quantum field simulator for dynamics in curved spacetime).

Der Quantenfeldsimulator gründet auf dem Bose-Einstein-Kondensat, einem Aggregatzustand, bei dem ein Gas von extrem geringem Druck (rund 100.000 dünner als die Atmosphäre) auf wenige Nano-Kelvin über dem absoluten Nullpunkt herabgekühlt wird (−273.15 °C). Die Heidelberger Arbeitsgruppe unter der Leitung von Professor Markus Oberthaler setzt dafür eine Wolke von Kalium-Atomen ein.

Im Simulator, den die Arbeitsgruppe seit mehreren Jahren fortentwickelt, lässt sich nun die Form der Atomwolke manipulieren und damit die Dimensionalität und die Eigenschaften der Raumzeit. Das ist für die Forschung nützlich, weil man bisher für manche kosmologischen Fragen nur Beobachtungen und Messungen an unserem eigenen Universum heranziehen kann, bei dem aber die Struktur der Raumzeit vorgegeben ist. Im Quantenfeldsimulator lässt sich die Raumzeit hingegen manipulieren und so eine ganze Familie gekrümmter Universen simulieren.

Dabei sind die Atome in einer dünnen Schicht gefangen. So können sich Anregungen nur in zwei Raumrichtungen ausbreiten – der Raum ist zweidimensional. Die Atomwolke lässt sich in diesen zwei Dimensionen fast beliebig formen, sodass auch unterschiedlich gekrümmte Raumzeiten herstellbar sind. In einem flachen Raum wie unserem aktuellen Universum ist die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten immer eine Gerade. "Es ist allerdings denkbar, dass unser Universum in seiner Anfangsphase gekrümmt war. Die Folgen einer gekrümmten Raumzeit zu untersuchen ist daher eine drängende Forschungsfrage", erklärt Oberthaler.

"Für Wellen auf dem Kondensat ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit abhängig von der Dichte und der Wechselwirkung der Atome. Das gibt uns die Möglichkeit, Bedingungen wie in einem expandierenden Universum zu schaffen", erklärt Professor Stefan Flörchinger, zuvor Wissenschaftler an der Universität Heidelberg und seit Anfang dieses Jahres an der Universität Jena. Er hat das quantenfeldtheoretische Modell ausgearbeitet, mit dem die experimentellen Ergebnisse quantitativ abgeglichen wurden.

Der Quantenfeldsimulator wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1225 "Isolierte Quantensysteme und Universalität unter extremen Bedingungen" (ISOQUANT) der Universität Heidelberg entwickelt.

(dz)