Geplantes EU-Patentgericht soll unabhängiger werden

Die slowenische EU-Ratspräsidentschaft hat einen überarbeiteten Vorschlag für eine übergeordnete Patentgerichtsbarkeit mit vergleichsweise harschen Verfahrensregeln vorgelegt.

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Die slowenische EU-Ratspräsidentschaft hat einen überarbeiteten Vorschlag (PDF-Datei) für eine übergeordnete Patentgerichtsbarkeit vorgelegt. Das Dokument betont erstmals, dass Mitglieder der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes (EPA) nicht parallel als Richter der beiden geplanten neuen Instanzen fungieren dürfen. Nach heftiger Kritik an diesem Punkt bemühen sich die Slowenen so offenbar, das im Raum stehende EU-Patentgericht als möglichst unabhängige und eigenständige Institution zu präsentieren. Zugleich heißt es aber, dass die in Frage kommenden Richter durchaus unter anderem aus den Reihen des EPA oder der Patentanwälte rekrutiert werden könnten. Seine vormalige Tätigkeit müsste ein solcher Kadi dann ruhen lassen.

Erstmals enthält das Papier, das einen "Fortschrittsbericht" der portugiesischen Ratspräsidentschaft vom Herbst 2007 weiterführt, einen eigenen Teil mit Vorschlägen für gemeinsame Schadensersatzregeln, Verfahren und andere mögliche Maßnahmen auf Ebene der ersten und zweiten Instanz. Dabei sollte eine "faire Balance" zwischen den Interessen der Rechteinhaber und "anderen Parteien" getroffen werden. Die Verfahren seien zudem "kosteneffizient" zu gestalten, heißt es weiter, um vor allem auch kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu dem Justizsystem zu ebnen.

Die künftigen Regeln sollen zudem zu einem Großteil auf der umstrittenen EU-Richtlinie zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sowie auf dem eigentlich als gescheitert geltenden Vorstoß für ein Europäisches Übereinkommen über Patentstreitigkeiten (EPLA) aus dem EPA beruhen. Über das von der EU-Kommission geplante Zusammenspiel der EU-Patentgerichtsbarkeit für die bestehenden Bündelpatente des Europäischen Patentamtes und einer solchen für das geplante "echte" Gemeinschaftspatent lassen sich die Slowenen nicht aus.

Konkret soll das Gericht unter anderem die Erlaubnis zur Inspektion von Unternehmensräumen für die Suche nach Beweismaterialien geben dürfen, die von einem Gerichtsvollzieher durchzuführen sind. Dabei müssten Schutzvorkehrungen aber dafür sorgen, dass keine vertraulichen Informationen oder Geschäftsgeheimnisse offenbart würden. Dies könne etwa gewährleistet werden, indem die Klageseite bei einer Durchsuchung außen vor gehalten werde.

Einstweilige Verfügungen sollen "sehr rasch" erteilt werden und für die ganze EU gelten, ist dem Arbeitspapier ferner zu entnehmen. Auch Beschlagnahmungen sowie das Sperren von Konten könnten demnach recht einfach angeordnet werden. Die beklagte Seite soll im Zweifelsfall aber die Chance erhalten, eine Überprüfung der Anordnung sowie eine Vernehmung zu verlangen. Eine Kappung der möglichen Schadensersatzansprüche ist nicht vorgesehen. Die zu zahlenden Summen sollen die entgangenen Lizenzgebühren auf jeden Fall überschreiten dürfen. Weiter ist geplant, dass beide Seiten mit Patentanwälten zusammenarbeiten dürfen. Es sollte aber noch erforscht werden, ob ein solcher spezieller juristischer Beistand allein eine Partei vertreten dürfe.

Die jüngst von der Mittelstandsinitiative patentfrei.de an dem Vorgängerpapier der Portugiesen geäußerte Kritik bleibt mit der neuen Version größtenteils bestehen. So ist etwa nach wie vor die Empfehlung für die Einrichtung eines "beratenden Ausschusses" enthalten, dessen Mitglieder unter den "erfahrensten Patentrichtern oder Patentanwälten" vom Ministerrat ausgewählt werden sollen. Eine solche Einbindung einer Lobbygruppe für Softwarepatente ist den Unternehmern zufolge höchst problematisch. Zudem soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) weiterhin nur in Fragen zum Gemeinschaftsrecht angerufen werden, könnte also bei materiellrechtlichen Beurteilungen oder beim Festlegen von Kriterien für Schadensersatzansprüche nicht mitreden.

Beim Europäischen Patentamt könnte das Streitthema Softwarepatente derweil bald wieder auf der Tagesordnung stehen, heißt es laut Beobachtern in einem Bericht von Science Business. Die neue Präsidentin des Europäischen Patentamtes, Alison Brimelow, will demnach die weite, Schutzansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" einschließende aktuelle Vergabepraxis der Münchner Behörde intern von der Beschwerdekammer erneut beraten lassen. In der laufenden Debatte um eine Patentreform ist es ihrer Ansicht nach "nicht hilfreich", immer wieder als Befürworter von Softwarepatenten dargestellt zu werden. (Stefan Krempl) / (pmz)