Gerangel um Mandatsverlängerung bei der ICANN

Ohne jeglichen Kommentar zum Verfahren hat die Internet-Veraltung ICANN die vier Direktoren benannt, deren Amtszeit entgegen der ursprünglichen Satzung bis 2002 verlängert wird.

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Von
  • Monika Ermert

Ohne jeglichen Kommentar zum Verfahren hat die Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) die vier Direktoren benannt, deren Amtszeit entgegen der ursprünglichen Satzungsvorschriften noch einmal bis 2002 verlängert wird. Es sind der Niederländer Hans Kraaijenbrink, Netzwerkexperte Jun Murai aus Japan, und die US-Amerikaner Frank Fitzsimmons (Dun and Bradstreet) und Linda Wilson. Wilson, früher Beraterin der National Science Foundation und künftig die einzige Frau im ICANN-Direktorengremium, war zuletzt Vorsitzende des Nominierungskomitees für die ICANN-Wahl im Oktober.

Satzungsgemäß hätten bei dieser so genannten At-large-Wahl Nutzer in aller Welt neun der 18 Vorstände der für die Aufsicht über das Domain Name System (DNS) zuständigen Organisation wählen sollen. "Die Hälfte der Macht für das Volk", lautete die Interpretation der alten ICANN-Satzung. Diese "Volksvertreter-Sitze" waren bei der Gründung der Organisation im Herbst 1998 auf Veranlassung der US-Regierung mit handverlesenen und nach geographischem Proporz ausgewählten Interims-Direktoren besetzt worden. Sie sollten nach einer Amtszeit von zwei Jahren von den gewählten Nutzervertretern abgelöst werden.

Bei der ICANN-Sitzung in Kairo im vergangenen März hatte das inzwischen von Industrieseite ebenfalls mit neun Direktoren beschickte Board allerdings die Notbremse gezogen. Es entschied, dass zunächst nur fünf der neun At-large-Direktoren gewählt werden sollten und das Wahlverfahren zunächst durch ein Studie überprüft werden solle. Man werde, so einigten sich die Direktoren in Kairo, innerhalb der Interims-Direktoren suchen, wer sich für eine Verlängerung der Amtszeit zur Verfügung stelle. Amtsmüdigkeit, so die Hoffnung, werde die Entscheidung erleichtern.

Tatsächlich gab es um die jetzt verkündete Entscheidung allerdings heftigen Streit. "Es war wohl eher so, dass man sich nicht so leicht einigen konnte, wer das Board verlassen sollte", sagt der neue ICANN-Direktor Helmut Schink. Der Siemens-Manager, der Anfang Oktober fürs European Standard Telecommunication Institute (ETSI) ins Board nachrückte, war von der Entscheidung ebenso ausgeschlossen wie die im Oktober gewählten At-Large-Direktoren. "Das haben die Interims-Direktoren unter sich ausgemacht", meinte Schink.

Umstritten war nach Aussagen verschiedener Beobachter besonders, welcher der drei Interimsdirektoren aus Europa an Bord bleiben sollte. Zurückziehen werden sich nun Géraldine Capdeboscq und der ehemalige stellvertretende Direktor der Generaldirektion XIII, Eugenio Triana. Capdeboscq, beim französichen IT-Dienstleister Bull für Strategiefragen und Partnerschaften zuständig, sagte zu der im Kreis der neun Interimsdirektoren gefällten Entscheidung: "Die Frage, die vor allem Eugenio Triana und ich aufgeworfen haben, war, ob die jetzige Zusammensetzung des Boards mit den Direktoren der Industrie, den At-Large- und den verbleibenden Interimsdirektoren, einen guten Ausgleich der verschiedenen Interessen darstellt. Die großen Telcos haben mit der jetzigen Entscheidung meiner Meinung nach ein Übergewicht."

Auch geographisch hätte man sich eine andere Zusammensetzung der Europagruppe vorstellen können, meint Capdeboscq. Mit der Entscheidung für Kraaijenbrink ist Europa durch zwei Deutsche, zwei Niederländer und einen Spanier vertreten. Obwohl sie das Board in einer kritischen Phase verlasse und sich gewünscht hätte, wenigstens einen Teil der anstehenden Aufgaben zu Ende zu bringen, sei sie allerdings auch froh, kommentierte die Französin. "Die Arbeitsbelastung ist weit über das hinausgegangen, was wir am Anfang erwartet hatten." (Monika Ermert) / (jk)