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Glasfasernetze: Freie-Software-BefĂŒrworter fordern Erhalt der Routerfreiheit

Stefan Krempl

(Bild: SHARKstock/Shutterstock.com)

Die Free Software Foundation Europe hĂ€lt den Appell der Netzbetreiber, bei gĂ€ngigen Glasfasernetzen wieder einen Routerzwang einzufĂŒhren, fĂŒr nicht stichhaltig.

Im Streit ĂŒber ein potenzielles Comeback des Routerzwangs bei GlasfaseranschlĂŒssen hat die Free Software Foundation Europe (FSFE) die Bundesnetzagentur aufgefordert, die EndgerĂ€tefreiheit zu wahren sowie "die Rechte und Interessen der Endnutzer zu berĂŒcksichtigen". Aus GrĂŒnden der Wahlfreiheit, des Schutzes der PrivatsphĂ€re, der InteroperabilitĂ€t, des fairen Wettbewerbs, der Sicherheit und der Nachhaltigkeit gelinge das nur, wenn der entscheidende Netzabschlusspunkt weiter an der Anschlussdose – also vor einem Modem – ende [1] und der Kunde an dieser ein GerĂ€t seiner Wahl anschließen könne. Diese Definition im Telekommunikationsgesetz (TKG) sollte auch Glasfasernetze einschließen.

Stein des Anstoßes: Die BreitbandverbĂ€nde Anga, Buglas, Breko, VKU und VATM haben bei der Regulierungsbehörde beantragt [2], sie solle festlegen, dass bei gĂ€ngigen passiven Glasfasersystemen der Netzabschluss erst nach dem bisher von den Betreibern meist bereits ungefragt installierten Modem und so vor einem WLAN-Router oder Ă€hnlichen EndgerĂ€t zu verorten ist. Sie begrĂŒndeten dies mit dem technischen Umstand, dass eine Adressierung des Endkunden nur an der Ethernet-Schnittstelle des Optical Network Termination (ONT) – also dem Glasfasermodem – "möglich ist und nicht vorgelagert erfolgen kann". Selbst wenn Endverbraucher Glasfaserboxen kaufen und einbauen könnten, richteten sie "ihr Augenmerk lediglich auf die RouterfunktionalitĂ€ten".

Die Netzbetreiber versuchten, Glasfasernetze als Sonderfall darzustellen, schreibt die FSFE in einer Stellungnahme [3] zu der an diesem Freitag endenden Konsultation der Bundesnetzagentur zu dem Thema [4]. Sie hĂ€tten aber "keine objektiven und sachlich geprĂŒften Nachweise fĂŒr die Notwendigkeit der GewĂ€hrung einer Ausnahme" geliefert. Dies gelte auch fĂŒr potenzielle Sicherheitsfragen und Störungen des Netzes durch Endnutzer. Die Annahmen der Antragsteller fĂŒr Glasfasernetze "sind nicht nachvollziehbar", da die dortigen Erfordernisse "denen in Kabelnetzen stark Ă€hneln". Die VerbĂ€nde hĂ€tten zudem die Anforderungen aus den Leitlinien europĂ€ischer Regulierer zur NetzneutralitĂ€t nicht berĂŒcksichtigt [5].

Endnutzer, die das Netz mutwillig beschĂ€digen wollten, seien ohnehin physisch in der Lage, sich Zugang zum Netzabschlusspunkt zu verschaffen, zerpflĂŒckt die FSFE die Argumente der Betreiber. Eine Verlegung des auf eine andere Position werde daran nichts Ă€ndern. Böswillige Endnutzer könnten die physische Sicherheit am Abschlusspunkt so weiter "auf beliebige Weise verletzen und jederzeit das GerĂ€t öffnen oder schließen, seine Teile erreichen und auf seine Funktionen zugreifen". Gegen dadurch bewirkte Netzstörungen und -verstĂ¶ĂŸe stĂŒnden den Telekommunikationsfirmen "zivil- und strafrechtliche Instrumente fĂŒr eventuelle RegressansprĂŒche zur VerfĂŒgung". GrĂ¶ĂŸere Sicherheitsrisiken seien unrealistisch.

Die Antragsteller versuchten, ihre Position nur als "technisch" und "rechtlich" darzustellen, monieren die BefĂŒrworter freier Software weiter. So hĂ€tten sie die gesellschaftlichen und sozialen Komponenten der EndgerĂ€tefreiheit nicht berĂŒcksichtigt. Die NetzneutralitĂ€t habe laut der einschlĂ€gigen EU-Verordnung [6] "tiefgreifende Auswirkungen darauf, wie die Endnutzer auf das Internet zugreifen und es nutzen". Die Routerfreiheit sei letztlich die "Hardwarekomponente der NetzneutralitĂ€t". Ihr Schutz sollte "ihren Charakter als wesentliches Element des offenen Internets umfassen". Erst im Mai warnte die FSFE, dass Telcos in der ganzen EU versuchten, das Aus fĂŒr Zwangsrouter zu umgehen [7]: In einer Umfrage beklagten 1600 Teilnehmer Probleme mit Providern, die ihre Rechte zur Nutzung ihrer eigenen Router und Modems einschrĂ€nkten.

(axk [8])


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https://www.heise.de/-9307112

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Gegen-Routerzwang-Kabinett-beschliesst-Gesetzentwurf-zur-freien-Router-Wahl-2778478.html
[2] https://www.heise.de/news/Comeback-des-Routerzwangs-Streit-ueber-Netzabschlusspunkt-bei-Glasfaser-9233281.html
[3] https://download.fsfe.org/routers/fsfe-bnetza-fiber-de-2023.pdf
[4] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/Telekommunikation/Unternehmenspflichten/Schnittstelle_netzabschluss/start.html
[5] https://www.heise.de/news/Netzneutralitaet-EU-Regulierer-schliessen-Nulltarife-bei-Zero-Rating-klarer-aus-7143217.html
[6] https://www.heise.de/news/EU-Parlament-votiert-fuer-Netzneutralitaet-mit-grossen-Hintertueren-2859913.html
[7] https://www.heise.de/news/Umfrage-in-Europa-Umsetzung-der-Routerfreiheit-nach-wie-vor-problematisch-9056401.html
[8] mailto:axk@heise.de