Globalisierung der Überwachung

EPIC und Privacy International haben den Bericht "Privatheit und Menschenrechte 2000" veröffentlicht, in dem sie vor allem die US-Regierung an den Pranger stellen.

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Von
  • Florian Rötzer

Die Bürgerrechtsorganisationen EPIC und Privacy International haben den Bericht Privatheit und Menschenrechte 2000 veröffentlicht, in dem sie vor allem die US-Regierung an den Pranger stellen, weil sie weltweit einen Druck auf die anderen Staaten ausgeübt haben soll, um die Grundlagen für eine umfassende Überwachung im digitalen Zeitalter zu schaffen.

Zwar werde fast in allen Staaten mittlerweile wie in den internationalen Abkommen das Recht auf Schutz der Privatsphäre als grundlegendes Menschenrecht anerkannt, meldet der Bericht, doch wird gleich hinzugefügt, dass hinter den schnellen Fortschritten in der Überwachungstechnologie die gesetzlichen Maßnahmen meist hinterherhinken oder nicht ausreichend umgesetzt werden.

Die Überwachungs-, Zensur- und Datenerhebungstechnologien, die vornehmlich in den demokratischen Industrieländern entwickelt werden, in denen sie noch durch den Rechtsstaat gebändigt werden können, gelangen jedoch auch in die armen Länder und stellen bereits ein "lukratives Nebengeschäft der Waffenindustrie" dar. Diese Technologien werden dann eingesetzt, um Regimegegner zu überwachen und abzuschrecken.

Im Mittelpunkt des Berichts, der anlässlich des International Forum on Surveillance by Design (London, 22.9.) und The Public Voice in Privacy Policy (Venedig, 27.9.) veröffentlicht wurde, steht die These von der Globalisierung der Überwachung, hinter der vorwiegend die US-Regierung als treibende Kraft ausgemacht wird: "Die US-Regierung hat sich weltweit darum bemüht, die Privatsphäre des Einzelnen zu beschränken und die Möglichkeiten ihrer Polizei und Geheimdienste zu vermehren, persönliche Gespräche abzuhören. Die Kampagne verfolgte zwei Strategien. Die erste sollte zu Gesetzen führen, die es für alle Unternehmen, die digitale Schaltsysteme für Telefone, Mobil- und Satellitentelefone sowie Kommunikationstechnologien entwickeln, obligatorisch machen, Überwachungsschnittstellen einzubauen. Die zweite Strategie suchte die Herstellung und Verbreitung von Hardware- und Softwareprodukten zu beschränken, die Kryptographie ermöglichen, die es den Menschen erlaubt, ihre Kommunikation und ihre Dateien zu verschlüsseln, damit sie andere nicht lesen können."

Überdies hätten die USA direkt oder über Organisationen wie die OECD, die G-8 oder den Europäischen Rat für einen größeren Einsatz der elektronischen Überwachung geworben. Im Zuge der Verabschiedung des Communications Assistance for Law Enforcement Act (CALEA), der Telefongesellschaften und Herstellern von Telefongeräten den Einbau von Lauschmöglichkeiten vorschreibt, habe auch die Zusammenarbeit mit den Justiz- und Innenministern der EU begonnen, um internationale Standards für die Überwachung zu schaffen. Die neuen Standards, die Eingang in ein Abkommen fanden, wurden schließlich in einem Dokument präzisiert, das den Namen Enfopol 98 trägt und von Telepolis 1998 veröffentlicht wurde. Aufgrund der daraufhin entstandenen Proteste habe man die umstrittensten Maßnahmen aus dem Dokument wieder entfernt und in geheimen Ausführungsvorschriften versteckt(dazu s.a. das Special Enfopol in Telepolis).

Natürlich geht der Bericht auch auf das umstrittene FBI-Schnüffelsystem Carnivore ein, mit dem sich Emails an oder von einem Verdächtigen aus dem Internetverkehr, der über die Server eines Providers läuft, herausfischen lassen. Ein ähnliches System will auch der russische Geheimdienst auf der Grundlage des SORM-Gesetzes bei allen Internetprovidern auf deren Kosten anbringen, um in Echtzeit und direkt den Internetverkehr überwachen zu können. In Russland hat übrigens das FBI ebenso wie in Ungarn ein Büro eröffnet, und man habe die Russen auch beraten, solch ein System einzuführen.

Auch in Holland und in Großbritannien wurden 1998 bzw. 2000 neue Gesetze geschaffen, die das Abhören erleichtern. Bei dem Versuch, die Überwachungsmöglichkeiten weltweit zu vergrößern, habe die US-Regierung auch das Thema der Bekämpfung der Cyberkriminalität, des Infowar oder des Schutzes der Infrastruktur eingesetzt, was mittlerweile dazu geführt habe, nach Wegen zu suchen, um die Möglichkeiten der Anonymität im Netz einzuschränken: "Die führenden internationalen Organisationen sind die EU, der Europäische Rat und die G-8 ... Die USA waren hinter der Bühne aktiv, um diese Vorhaben auszuarbeiten und durchzusetzen. Nachdem man sich jahrelang geheim getroffen hatte, veröffentlichten die Organisationen kürzlich Vorschläge, die die Online-Privatheit, die Anonymität und die Verschlüsselung im Namen der Cyberkriminalität einschränken würden."

Auf der Veranstaltung in Venedig wird es neben der Diskussion des Konzepts des "Sicheren Hafens" und den Risiken, die der Schutz von digitalen Werken im Internet für die "intellektuelle Freiheit und die persönliche Autonomie" mit sich bringen kann, vor allem um die Notwendigkeit gehen, ob man der Globalisierung der Überwachung nicht durch ein internationales Abkommen zum Datenschutz begegnen müsse.

Mehr in Telepolis: Vom Menschenrecht, in Ruhe gelassen zu werden. (fr)