Gnome 47 setzt Akzente und macht X11 optional

Erstmals bekommt ein Gnome-Programm eine Ergänzung in Rust. Krumme Skalierungsfaktoren unter Wayland und Farbakzente sind nun feste Bestandteile des Desktops.

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Desktop von Gnome 47 auf Notebook auf Tisch

(Bild: heise online)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • David Wolski
Inhaltsverzeichnis

Sechs Monate nach der letzten Ausgabe ist die Desktop-Umgebung Gnome nach dem üblichen Turnus in Version 47 erschienen. Zwei zuvor noch als experimentell gekennzeichnete Funktionen der Oberfläche sind nun standardmäßig aktiviert. So gibt es in den Einstellungen eine Skalierung der Desktop-Elemente mit ungeraden Faktoren (Fractional Scaling) sowie einen Farbwähler für neun Akzentfarben. Ubuntu 22.04 präsentierte schon eine Auswahl von Farbnuancen in Gnome 42, setzte diese aber über eine eigens modifizierte Gnome-Shell und Icon-Sets um. Nun klappt dies in Gnome 47 über eine API der Bibliothek libadwaita und damit auch in den anderen Linux-Distributionen.

Mit dieser Ausgabe sind nach zwei Jahren Arbeiten am Code des Compositors "Mutter" und der Gnome-Shell abgeschlossen, die alle Abhängigkeiten zum X11-Protokoll von Xorg optional machen. Dazu wanderte zunächst die Funktionalität einiger X11-Bibliotheken für Tastatureingaben und für die Cursordarstellung in den Gnome-Quellcode. Der Umbau erlaubt, Gnome 47 jetzt schon ohne X11 und Xwayland zu kompilieren, mit kleineren Binaries und weniger Speicherbedarf – dann allerdings nur noch als Desktop für Wayland-Programme. Praktikabel scheint das derzeit bisher nicht, doch könnte die so verschlankte Shell Gnome auch für ausgewählte Nischenanwendungen attraktiv machen.

Eine weitere Verbesserung des Gnome-Compositors für Spezialfälle ist die Nutzung einer GPU zur Hardware-beschleunigten Ausgabe des Desktops, auch wenn kein Bildschirm angeschlossen ist. Dies hilft dem internen RDP-Server für den Remote-Zugriff auf die Sprünge, der seit der letzten Gnome-Version auch schon vor der Anmeldung an den Desktop aktiv werden kann und damit einen kompletten Betrieb im Headless-Modus ermöglicht. Von Hardware-beschleunigter Encodierung kann auch der Bildschirmrekorder Gebrauch machen, falls passende Treiber mit VA-API-Unterstützung installiert sind, und damit die CPU gerade bei hohen Auflösungen entlasten.

Eine Skalierung der Anzeige von 100 Prozent über 125 bis 150 Prozent bietet Gnome in den Einstellungen jetzt auch bei geringeren Auflösungen an. Diese Faktoren für Gnome mit Wayland galten bislang als experimentell und warteten zunächst noch auf ihre Aktivierung im Terminal mit dem Befehl:

gsettings set org.gnome.mutter experimental-features "['scale-monitor-framebuffer']"

Die Ergebnisse waren nicht immer ansehnlich. Auch mit Xwayland, der Kompatibilitätsschicht zwischen X11-Programmen und Wayland, funktioniert die Skalierung jetzt erst einwandfrei. Eine Voraussetzung dafür ist, dass auch GTK-Programme, die eventuell nicht eigens für Gnome gemacht sind, verbindlich den vorgegebenen Stil von libadwaita übernehmen müssen. Bei der Darstellung von Programmfenstern und Dialogen gelingt es Gnome 47, auch knapp bemessenen Platz auf dem Monitor besser zu nutzen. Denn modale Dialoge, die fest an ein Fenster angeheftet sind, haben nun keine vorgegebene Mindestgröße mehr.

Unter jenen Programmen, die zum Repertoire des Gnome-Desktops gehören und deshalb meist schon vorinstalliert sind, erfahren der Dateimanager "Gnome-Files" und die Partitionsverwaltung "Gnome-Disks" die deutlichsten Änderungen. Im Dateimanager sind in der linken Seitenleiste die vorgegebenen Speicherorte der Home-Verzeichnisse nach unten gewandert und zugleich Lesezeichen. Ein Rechtsklick darauf kann alle diese Einträge bearbeiten oder unerwünschtes entfernen. Jenen Programmen, die schon das GTK4-Toolkit nutzen, liefert Gnome-Files jetzt einen ausgewachsenen Dateibrowser, der einige Datei-Operationen mehr erlaubt sowie Zoomfaktoren für Vorschaubilder ermöglicht. Auch stehen nun, falls über Gnome-Einstellungen schon eingerichtet als Speicherorte Online-Accounts zur Verfügung.

Die Partitionsverwaltung Gnome-Disks ist das erste offizielle Gnome-Programm, das eine (kleine) Ergänzung in Rust in Form des Image Mounters erhalten hat. Dieser hängt IMG/ISO-Dateien als Loopback-Dateisystem ein.

(Bild: Screenshot)

Einen Port nach GTK4 hat jetzt die Partitionsverwaltung Gnome-Disks hinter sich und präsentiert sich in einem modernen Gewand. Als erste Gnome-Anwendung hat das Programm eine Komponente, die in Rust programmiert wurde, erhalten: Der Image-Mounter, ein Client für Udisks hängt IMG-Dateien und ISO-9660-Abbilder als durchsuchbares Dateisystem im Nur-Lesen-Modus ein. Die kleine Ergänzung diente den Entwicklern auch dazu, das Template für GTK-Projekte in Rust für das Meson-Buildsystem zu aktualisieren.

Sowohl das kommende Fedora 41 als auch Ubuntu 24.10 werden im Oktober Gnome 47 als primären Desktop ausliefern, wobei Ubuntu voraussichtlich vorerst auf einige der neuen Gnome-Features verzichten wird und einen Versions-Mix liefert. Fedora 41 steht bereits als Beta-Version zum Download bereit. Keine reguläre Linux-Distribution, sondern ein System zur Demonstration des neuen Desktops ist Gnome OS der Gnome Foundation selbst. Dieses Linux-System ist mit Ostree gebaut, liefert also ein unveränderliches Basissystem im Stil von Fedora Silverblue, in das Anwendungen dann als Flatpak installiert werden. Gnome OS läuft nicht nur in Gnome Boxes, sondern auch mit Libvirt unter der KVM passabel, wenn Virtio die virtuelle Grafikkarte emuliert.

Im März erschien Gnome 46. Darin haben die Entwickler insbesondere variable Wiederholraten umgesetzt und die RDP-Unterstützung verbessert.

(dmk)