Google pokert mit RĂĽckzugsdrohung aus China

Mit dem Verzicht auf ein potenziell lukratives Geschäft könnte Google zugleich in eine andere bedeutende Währung investieren: in das Vertrauen der Nutzer.

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Von
  • Renate Grimming
  • dpa

Nach massiven Hacker-Angriffen will sich der Internetdienstleister Google nicht mehr der Zensur der chinesischen Regierung beugen. Mit der Drohung, sich gegebenenfalls sogar komplett aus dem derzeit stark boomenden und für die Internet-Wirtschaft wichtigen Markt zurückzuziehen, pokert das Unternehmen hoch. Doch mit dem Verzicht auf ein potenziell lukratives Geschäft könnte Google zugleich in eine andere bedeutende Währung investieren: in das Vertrauen der Nutzer.

Denn ein weiteres Stillhalten nach den jüngsten Angriffen aus China könnte vor allem im Westen das Geschäft von Google auch nachhaltig schädigen. Mit einem Geschäftsmodell, das weltweit auf maßgeschneiderte Werbung durch die Auswertung von Nutzerdaten setzt, ist das Vertrauen der Nutzer in die Sicherheit ihrer Daten unerlässlich. "Unsere Reaktion auf die Attacke zeigt, dass wir Unternehmen und private Nutzer schützen, die uns mit ihren sensiblen E-Mails und Dokumenten-Informationen vertrauen", schrieb Dave Girouard, Chef von Google Enterprise in einem Blog-Eintrag. In Peking haben unterdessen Menschen vor der dortigen Google-Niederlassung Blumen niedergelegt und dem Unternehmen zu seinem Entschluss gratuliert.

In den kommenden Wochen will Google nun in Gesprächen mit der chinesischen Regierung klären, ob und inwieweit eine unzensierte Nutzung der Suchmaschine künftig realisierbar ist. Dass China in seiner restriktiven Zensur-Politik tatsächlich einlenkt, dürfte schwer vorstellbar sein. Rückendeckung erhielt Google unterdessen von US-Außenministerin Hillary Clinton, die die Bedeutung der Zuverlässigkeit und Freiheit des Internets für Gesellschaft und Wirtschaft betonte und eine Erklärung der chinesischen Regierung einforderte. Die chinesische Regierung wolle unterdessen zunächst weitere Informationen einholen, berichtet die Nachrichtenagentur Xinhua, die einen nicht genannten Offiziellen zitiert.

Sollten die chinesischen Behörden nicht einlenken, will Google seine Site google.cn schließen. Damit würde das Unternehmen allerdings der größten Suchmaschine in China, Baidu, das Feld komplett überlassen. Und nach einem Rückzug werde es sehr schwer, wieder in gleicher Stärke zurückzukehren, sagte Erwin Sanft, Analyst bei BNP Paribas SA in Hongkong der Finanznachrichtenagentur Bloomberg.

Von China mit seinen rund 340 Millionen Internet-Nutzern erhoffen sich die großen internationalen Internet-Unternehmen ein enormes Marktpotenzial. Google war 2006 relativ spät dort an den Start gegangen. Anders als in anderen asiatischen Märkten hatte Google sein Geschäft in China aber bis heute nicht nennenswert ausbauen können und liegt weit abgeschlagen hinter dem chinesischen Marktführer Baidu, der nach eigenen Angaben einen Anteil im Suchmaschinenmarkt von 77 Prozent hält. Nach Angaben der New York Times beläuft sich der jährliche Umsatz auf rund 300 Millionen Dollar.

Dennoch könnten die Folgen eines kompletten Rückzugs schmerzlich sein. "Die Konsequenzen, nicht im chinesischen Markt mitzuspielen, dürften für jedes Unternehmen sehr groß sein, aber besonders für ein Internet-Unternehmen, das seine Umsätze mit Anzeigen macht", sagte David B. Yoffie, Professor an der Harward Business School, der New York Times. Und das Anzeigengeschäft spiele in China eine noch wesentlich größere Rolle als zum Beispiel in den USA.

Google, Yahoo und Microsoft waren bereits in den vergangenen Jahren wegen ihrer Zugeständnisse an die chinesische Regierung wiederholt scharf kritisiert worden. Die Unternehmen hatten sich dem Druck der chinesischen Behörden gebeugt und zum Teil auch aktiv in ihren Suchmaschinen kritische und dem Staat unliebsame Internet-Seiten für chinesische Nutzer blockiert.

Vor allem Einträge von Menschenrechtsgruppen und Themen wie Tibet und die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens waren systematisch von der Zensur der chinesischen Behörden betroffen. Mit ihren Zugeständnissen hätten die Unternehmen an der Verletzung der Meinungsfreiheit aktiv beigetragen, hatte zum Beispiel die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wiederholt gerügt.

Die Attacken des vergangenen Monats hatten allerdings nicht allein etwas mit Zensur zu tun und dürften auch deshalb das Fass zum überlaufen gebracht und das jahrelange Stillhalten beendet haben. Wie das Wall Street Journal berichtet, hatten Hacker diesmal nicht nur versucht, Google-E-Mail-Konten von chinesischen Menschenrechtsaktivisten auszuspähen und an Passwörter heranzukommen, sondern auch wichtige Quellcodes zu stehlen.

Doch trotz der offenen Rückzugsdrohung dürfte Google noch weit entfernt davon sein, das Geschäft in China tatsächlich komplett aufzugeben, sagte Heath Terry, Analyst bei FBR Capital Markets in New York. "Das ist Googles Weg, eine wichtige Diskussion zu eröffnen", schätzt Terry. Die Rückzugsdrohung sei dafür nur der Auftakt. (anw)