Google setzt mit YouTube-Übernahme Konkurrenz unter Druck

Die Übernahme im am stärksten wachsenden Bereich des Online-Werbemarkts sei ein Weckruf für traditionelle Internet-Unternehmen, meinen Branchenbeobachter.

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Von
  • Renate Grimming
  • dpa

Der jüngste Milliarden-Coup von Google könnte für einigen Wirbel in der Internet-Branche sorgen und die Karten für die Konkurrenz neu mischen. Mit der Übernahme der Online-Videoplattform YouTube für 1,65 Milliarden Dollar hat sich der weltgrößte Suchmaschinenbetreiber in dieser Woche mit einem Schlag an die Spitze des derzeit am stärksten wachsenden Bereichs im lukrativen Online-Werbemarkt katapultiert. Konkurrenten wie Microsoft und Yahoo dürfte die größte Akquisition in Googles Firmengeschichte kräftig unter Druck setzen.

"Das ist ein sehr, sehr wichtiger Weckruf für die anderen traditionellen Internet-Unternehmen", sagte Mark Kingdon von der kalifornischen Internet-Werbeagentur Omnicom Group. Der Internet-Werbemarkt mit Videos wird nach Schätzungen des Marktforschungsunternehmens EMarketer von 385 Millionen Dollar in diesem Jahr bis 2008 auf 1,1 Milliarden Dollar wachsen. Auch Microsoft und Yahoo sind seit einiger Zeit in dem lukrativen Markt mit eigenen Angeboten aktiv.

Mit 45 Prozent Marktanteil überflügelt YouTube nach Erhebungen des Online-Marktbeobachters Hitwise seine Konkurrenz im Online-Videomarkt allerdings deutlich, berichtet das Branchenmagazin CNet. Damit dürfte sich die Wettbewerbssituation für Yahoo und Microsoft verschärfen. Yahoo habe den Fehler gemacht, YouTube nicht selbst zu kaufen, sagt Jeetil Patel, Analyst bei der Deutschen Bank in San Francisco. Der Internet-Portal-Betreiber hatte selbst Interesse an der Video-Plattform. Nach Medienberichten führt Yahoo auch seit einiger Zeit Kaufgespräche mit der Kommunikations-Site Facebook – bislang allerdings ohne Ergebnis.

Angesichts des von vielen Beobachtern erwarteten Erfolgs von Google und YouTube könnte die Aufholjagd für die Konkurrenz beschwerlich werden. "Für Unternehmen, die YouTube kopiert haben, wird es eher schwerer werden, da sie jetzt mit der größten Internet-Firma der Welt konkurrieren", schätzt Lars Hinrichs, Geschäftsführer der Business-Kontakt-Börse openBC/XING. "Und der Nutzer geht immer dorthin, wo das Angebot das größte und beste ist." Immerhin hatte es das kleine Start-up YouTube geschafft, innerhalb von 19 Monaten 100 Millionen Besucher täglich anzulocken. Eine ähnlich attraktive Kaufoption gibt es derzeit für den Wettbewerb vermutlich nicht.

Trotz aller positiven Prognosen für den Internet-Giganten hat die Höhe des Übernahmepreises manche Beobachter an die einstige Internet-Blase der New Economy erinnert und vereinzelt Befürchtungen wachgerufen, die bodenlose Euphorie der 90er-Jahre könne sich nun wiederholen. "Viele Leute waren geschockt über den Preis von 1,65 Milliarden Dollar", sagte Dimitry Shapiro, Gründer des YouTube-Konkurrenten Veoh Networks. Aber mit dem Internet-TV entstehe zurzeit ein neues Medium, das so bezwingend und wertvoll sei wie das Internet selbst. "Ich denke, in zwei oder drei Jahren wird man sich wundern, wie YouTube zu einem so niedrigen Preis erstanden werden konnte", schätzt Kai Tietjen, Geschäftsführer der Werbe- und Online-Agentur construktiv sowie Gründer des deutschen Portals Mister Wong, auf dem Internet-Links verwaltet werden können. Auch Google habe anfangs noch kein richtiges Geschäftsmodell gehabt und sei heute weit über 100 Milliarden Dollar wert. "Die Kräfte, die in den oberen Regionen der Internet-Wirtschaft walten, sind andere, als wir sie bisher kennen."

Ob nach dem Zusammenschluss des weltgrößten Suchmaschinenbetreibers und der populären Videoplattform tatsächlich "der nächste Schritt in der Evolution des Internets" eingeleitet ist, wie Google-Chef Eric Schmidt sagte, bleibt abzuwarten. Rein strategisch sei die Übernahme auf jeden Fall richtig, schätzt construktiv-Chef Tietjen. "Der Markt für Videostreaming im Web wird einer der größten der Unterhaltungsindustrie werden." Die Medien verlagerten sich zunehmend ins Web, "Fernsehen und Computer verschmelzen". Microsoft-Chef Steve Ballmer scheint sich dagegen noch nicht ganz sicher zu sein: Sollte YouTube die Zukunft des Fernsehens einläuten, so sei auch der Kaufpreis angebracht, sagte Ballmer. "Nimmt man aber etwas anderes an, ist YouTube gar nicht viel wert." (Renate Grimming, dpa) / (jk)