Google will Werbetracking unter Android einschränken

Die "Privacy Sandbox" wird nun auch auf Googles Mobil-Betriebssystem ausgeweitet. Die fast grenzenlose Datensammlung auf Smartphones soll beendet werden.

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(Bild: Shutterstock.com/Asif Islam)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Nach Apples Privatsphäre-Initiative zieht Google nach: Der Android-Hersteller will das Tracking durch eine Geräte-ID einschränken und App-Entwicklern privatsphäre-schonendere Werbemöglichkeiten bereitstellen. Dabei räumt Google sich selbst und den App-Entwicklern eine lange Übergangsphase von zwei Jahren ein.

Um die Android-Werbung auf neue Füße zu stellen, weitet Google die "Privacy Sandbox"-Initiative aus, die auch für die Abschaffung von Third Party-Cookies im Browser Chrome steht. Dabei bemüht sich der Werbekonzern aber um eine behutsamere Vorgehensweise als beim Konkurrenten Apple. "Wir sind uns bewusst, dass andere Plattformen einen anderen Ansatz für den Schutz der Privatsphäre von Anzeigen gewählt haben, indem sie bestehende Technologien, die von Entwicklern und Werbetreibenden genutzt werden, drastisch einschränken", schreibt Google-Manager Anthony Chavez in einem Blogbeitrag.

Kernpunkt des Werbetrackings unter Android ist die "Advertising ID" (kurz: AdID), mit der App-Entwickler einen Datenpunkt zur festen Identifizierung ihrer Nutzer bekommen. Anhand dieser Kennung können Werbedienstleister und Werbetreibende nicht nur erfahren, was Nutzer in einer bestimmten App tun, sondern die Aktivitäten über unterschiedlichste Apps abgleichen. Doch das System wurde verborgen von den Nutzern immer weiter ausgebaut, sodass selbst triviale Apps plötzlich dauerhaft den Standort der Nutzer aufzeichneten und an spezielle Dienstleister weiterleitete. Nur in krassen Ausnahmefällen schritt Google in der Vergangenheit als Betreiber des Play Store gegen Datenmissbrauch ein.

Mit den neusten Android-Versionen hat Goole die Datensammlung zumindest transparenter gemacht und entzieht auch ungenutzten Apps regelmäßig die einmal erteilten Berechtigungen, um Datenmissbrauch und Notification-Spam einzuschränken. Auch können Nutzer ihre AdID selbstständig ändern, was allerdings in der Praxis nur wenig Unterschied macht. Mit der Privacy Sandbox geht Google einen Schritt weiter. Mittelfristig sollen App-Entwickler ganz ohne App-übergreifende IDs auskommen.

An ihre Stelle sollen neue Alternativen treten. Google nennt hier die vom Browser bekannten Vorschläge Topics und FLEDGE. Bei Topics sollen die Werbeprofile vom Gerät selbst erstellt werden, anstatt die Nutzerdaten über eine lange Reihe von Datensilos zu leiten und immer wieder neu zu verknüpfen. Dabei sollen die Nutzer die Profilinformationen übersichtlich angezeigt bekommen. Eine Nachverfolgung soll verhindert werden, indem Google nur eine kleine Anzahl von Eigenschaften freigibt und obendrein falsche Daten untermischt.

Als weitere Technik soll FLEDGE zum Zuge kommen. Hierbei sollen die App-Entwickler selbst aus den Nutzerdaten ihrer eigenen App brauchbare Nutzerprofile generieren, die dann mit Googles Customer Audience API angereichert werden können. Bevorzugt wären hierbei Apps, die viele Nutzerinteraktionen auswerten können, um daraus Kaufprofile zu bilden. Auch die Werbeauktionen selbst sollen auf das Gerät des Endnutzers verlagert werden, sodass Werbenetzwerke und Datendienstleister nicht im Hintergrund Daten abschöpfen können.

Hinzu kommen noch weitere Techniken, die zum Beispiel zur Abrechnung von Anzeigen und der Messung der Effektivität von einzelnen Kampagnen benötigt werden. App-Entwickler sollen künftig Werbe-Plugins nicht mehr direkt in ihre Apps integrieren, sondern über eine zentrale SDK Runtime integrieren. Mit dem radikalen Schritt imitiert Google nicht nur Apple, sondern kommt auch den zunehmend kritischen Prüfungen der Datenschutzbehörden entgegen. Um die Unterstützung der App-Entwickler zu zeigen, hat Google positive Statements von Snap, Rovio und Duolingo veröffentlicht.

Ob jedoch Hersteller kleinerer Apps von dem neuen System begeistert sein werden, darf bezweifelt werden. Google selbst macht darauf aufmerksam, dass derzeit 90 Prozent der Apps im Play Store kostenfrei sind. Ihnen gibt Google zumindest zwei Jahre Bestandsgarantie für die Advertising ID. Die neuen Regeln dürften es kleineren Entwickler wohl aber erheblich erschweren, wie bisher Werbeerlöse zu generieren.

Ob die Werbekunden bereit sind, mehr Geld in höherwertige oder weniger nervende Anzeigen zu investieren, steht keinesfalls fest. So mussten auch iOS-Entwickler mit einem drastischen Einbruch der Werbepreise zurechtkommen. Wettbewerbsbehörden weltweit beobachten das Werbegeschäft Googles derzeit mit ungewohnter Aufmerksamkeit. Auch die Adtech-Branche will sich nicht damit abfinden, von den Datenflüssen abgeschnitten zu werden. Derzeit etablieren sich immer mehr Anbieter, die Alternativ-Kennungen zur Advertising ID im Portfolio haben. Inwieweit Google deren Geschäftsmodell unterbinden will oder kann, steht noch nicht fest.

(axk)