Gravitationswellen: Forscher erwarten Events zuhauf

In Hannover tagte die Konferenz der Max-Planck-Gesellschaft zu Status und Zukunftsaussichten bei der Suche nach weiteren Gravitationswellen. In der Hochburg der Gravitations- und Laserforschung trafen sich viele Gewinner des Breakthrough-Preises.

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Gravitationswellen: Forscher erwarten Events zuhauf.
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Von
  • Andreas Stiller

Stephen Hawking musste leider kurzfristig seinen Besuch der großen mehrtägigen Konferenz der Gravitationswellenforscher in Hannover sowie seinen geplanten öffentlichen Vortrag an der Leibniz-Universität aus gesundheitlichen Gründen absagen. Ansonsten aber trafen sich ab Montag auf Einladung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut AEI) viele Gewinner des gemeinsam erhaltenen Breakthrough-Preises in der Hochburg der Gravitations- und Laserforschung.

Immerhin 3 Millionen Dollar hat die vom russischen Milliardär Yuri Milner finanzierte Breakthrough-Organisation [–] im Board sitzt unter anderem Mark Zuckerberg – für den am 3. Mai zuerteilten Special Breakthrough Prize in Fundamental Physics ausgeschütttet. Das sind weit mehr als die umgerechnet etwa 850.000 Euro, die für den Nobelpreis vergeben werden. 2 Millionen Dollar wurden auf alle 1012 am Nachweis der Gravitationswellen beteiligten Forscher verteilt, jeder bekam also rund 2000 Dollar. Solche Aufteilung auf so viele Preisträger sehen die Regularien der Nobelpreisstiftung nicht vor – die muss sich da was anderes überlegen.

Dr. Brown gab den Statusbericht. Auf der Leinwand sind die Empfindlichkeitskurven der alten LIGO-Detektoren vor und nach dem Upgrade zu sehen. Rechts von hinten: Dr. Andrew Lundgren vom AEI, der zusammen mit Marco Draco die Wellen zuerst "gesehen" hat.

Unter den Gravitationswellenforschern jedenfalls herrscht nach dem Nachweis mit den beiden amerikanischen LIGO-Detektoren helle Aufbruchsstimmung. Das war bereits bei dem einleitenden Statusbericht von Preisträger Prof. Dr. Duncan Brown von der Syracus University zu merken. Nach dem ersten mit 5,1 Sigma wissenschaftlich akzeptierten Nachweis eines Verschmelzens von zwei Schwarzen Löchern (GW150914) erwartet man jetzt zahlreiche weitere ähnliche Events, vielleicht bald schon im Bereich von 100 pro Jahr. Ein weiteres Event (LVT151012) gilt nicht als abgesichert; es könnte mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit (2,6 Sigma) ein echtes Blackhole-Blackhole-Event (BHBH) gewesen sein – Dr. Brown ist jedenfalls fest davon überzeugt ("I’m sure it’s real") .

Ob denn nach dem 14. September bis Mitte Januar (im sogenannten Betriebslauf O1) weitere eindeutige Events aufgetreten sind, wollte Dr. Brown nicht verraten. "Warten Sie den offiziellen Report ab", sagte er vielsagend. Der soll in etwa einem Monat herauskommen – genau passend zum 100. Jahrestag der Veröffentlichung von Einsteins "Näherungsweise Integration der Feldgleichungen der Gravitation" vom 22. Juni 1916 in den Sitzungsberichten der physikalischen Klasse der Königlich Preußischen Akademie (ab S.688).

In diesem Papier beweist Einstein erstmals die Existenz von Gravitationswellen. Diese waren damals für ihn aber keine wirklichen Wellen, da sie so gut wie keine Energie transportierten. Aber da irrte er. Sie sind offenbar sehr real und mit 3,6*1059 erg/s – die Astronomen lieben offenbar alte Maßeinheiten – ist die pro Sekunde ausgestrahlte Energie sogar gar weit höher als die von Licht oder Gammastrahlung. Um sie aber nachweisen zu können muss man eine unglaubliche Längenauflösung von besser als 10-21 hinbekommen. Das ist in der Größenordnung von gerade mal 10 µm im Verhältnis zum doppelten Abstand zwischen Erde und Alpha Centauri …

Für Hoffnung auf schon stattgefundene oder bald stattfindende Events sorgten auch die Diagramme von Dr. Ilyah Mandel von der Universität Birmingham, natürlich ebenfalls Breakthrough-Preisträger. Sie gaben Erwartungswerte von detektierbaren Events bei plangemäß verbesserten Detektoren wieder, mit Auflösungen je nach Frequenzbereich bis hin zu 10-23. Im Verlauf von O1 sollten damit bis zu zehn mögliche "laute" Events nachweisbar sein. Das können Verschmelzungen von Schwarzen Löchern sein, aber auch sich umkreisende oder verschmelzende Schwarze Löcher mit Neutronensternen oder von zwei Neutronen-Sternen miteinander.

Auch Supernovae könnten möglicherweise geeignete, üblicherweise aber deutlich schwächere Quellen sein – aber da gab es ja im Frühsommer 2015 mit ASASSN-15lh die bei weitem größte Explosion, die man jemals feststellen konnte. Nur waren beim Höhepunkt im Juni 2015 die LIGO- und VIRGO-Detektoren noch in der Upgrade-Phase, nur GEO600 in Ruthe war aktiv. Andererseits strahlt ASASSN-15lh auch jetzt noch kräftig zumindest optisch und in UV (die UV-Strahlung wurde zwischendurch sogar mal stärker) – wir dürfen also gespannt sein.

Es gibt offenbar genug Schwarze Löcher. In der nächsten Laufzeit O2 sind 20 bis 100 Events zu erwarten.

Außer Betrieb sind die beiden LIGO-Detektoren derzeit auch, aktuell findet ein weiteres kleineres Update und Feintuning statt. So wird unter anderem nach einer noch unbekannten Rauschquelle gesucht. Diverse Rauschquellen (Quantenrauschen, thermisches Rauschquellen, Vibrationen, Rauhigkeiten bei den Spiegeln, Gravitationsunterschieden und so weiter) habe man ganz gut im Griff, führte Mitpreisträger Prof. Dr. Benno Willke von der Leibniz-Universität Hannover / AEI aus. Im Herbst soll dann die die nächste auf sechs Monate angesetzte Laufphase O2 mit den verbesserten LIGOs anlaufen, an der auch der bis dahin aufgerüstete VIRGO-Detektor in Pisa teilnehmen soll. Er hilft nicht nur die Signifikanz der Signale zu erhöhen, sondern verbessert auch erheblich die genauere Lokalisierung der Events.

Mit größerer Leistung – im Moment arbeiten die aus Hannover stammenden Laser mit einer Injektionsleistung von 20 Watt -- kann man die Auflösung noch weiter erhöhen. Auch gequetschtes Licht würde die Auflösung zusätzlich weiter erhöhen. Die Technik wird bei den LIGO-Detektoren aber noch nicht eingesetzt, das soll erst in einigen Jahren erfolgen.

Im Verlaufe von O2, so jedenfalls die Erwartungen, sollen bis hinauf zu 100 Events detektierbar sein. Man hofft damit, zahlreiche neue Erkenntnisse über schwarze Löcher, Neutronensterne, dunkle Energie und dunkle Materie zu gewinnen. (as)