Griechenland hat (wahrscheinlich) einen neuen Regierungschef

Nach tagelangem Geschacher hat man sich auf den Finanzexperten Papademos geeinigt, der nun als nicht demokratisch legitimierter Regierungschef schnell alles in Ordnung bringen soll, bis die Politiker wieder die Macht übernehmen

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Der neue Regierungschef ist zwar nicht gewählt, sondern nur aus einem tagelangen Geschacher der beiden großen Parteien PASOK und Nea Dimokratia mit dem Präsidenten Griechenlands hervorgegangen. Loukas Papademos, ein Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, war zwar schon neben Finanzminister Evangelos Venizelos von Anfang an im Gespräch gewesen, aber er hatte von den beiden Parteiführern Papandreou und Samaras zu viele Zugeständnisse verlangt - zu Recht, denn er wollte nicht gleich wieder handlungsunfähig werden oder von einer der beiden Parteien abgeschossen werden.

Der Druck war aber nun so groß geworden, dass sich die beiden Parteien einigen mussten, die in Volkes Gunst sowieso stark gesunken sind, zusammen mit der rechten LAOSnicht noch weiter beschädigen wollten, um ihre eigenen Interessen zu sichern und sich schon mal für die nächsten Wahlen zu positionieren. Während Papandreou versuchte, möglichst viele aus seiner Partei in die Übergangsregierung zu heben, wollte Samaras bereits im Februar Neuwahlen durchsetzen und die Handlungskompetenz des neuen Regierungschefs möglichst begrenzen. Am liebsten wollte er, der seit Beginn der Krise gegen alle Sparmaßnahmen opponierte, sich mit seiner Partei auch nicht an der Übergangsregierung beteiligen, um weiter populistisch agieren zu können und sich die Finger mit unbeliebten Maßnahmen nicht schmutzig zu machen.

Die genauen Details der Vereinbarung sind noch nicht bekannt - und natürlich schon gar nicht, ob sie wirklich Bestand haben wird. Morgen soll Papademos, der als Technokrat Griechenland aus dem politischen Theater herausführen soll, sein Amt antreten. Nach einer Verlautbarung des Präsident Karolos Papoulias ist die Hauptaufgabe der Übergangsregierung ohne demokratische Legitimierung die Durchsetzung der mit dem Rettungspaket verbundenen Auflagen. Das Linksbündnis Syriza nahm an den Verhandlungen nicht teil, weil man sich angeblich nicht an der Ernennung eines nicht demokratisch legitimierten Regierungschefs beteiligen wollte, aber sicher vor allem auch, um sich besser als Opposition ins Spiel bringen zu können.

Damit hat Griechenland den ersten Schritt geschafft, wenn man denn glaubt, dass ein Finanzexperte statt demokratisch gewählten Politikern wirklich eine bessere Lösung umsetzen kann. Die Gefahr ist nicht nur die Aushebelung der Demokratie, sondern auch, dass nach dem Ende der Übergangsregierung das Spiel möglicherweise wieder genauso weiter gehen kann, weil an den politischen Strukturen nichts verändert wurde. Und die Frage wird auch sein, ob der oben installierte "Experte" die Macht haben wird, schnell Veränderungen in den Ministerien und Behörden durchzuführen und die Mauscheleien der politischen Klasse mit den Reichen zu durchkreuzen.

Bekannt wurde am selben Tag, dass die Arbeitslosenrate im August auf 18,4 Prozent geklettert ist. Im Juli lag sie noch bei 16.5 Prozent.