Großer Bahnhof für Google-Forschungsinstitut in Berlin

Google liege daran, die Internetfreiheiten zu vergrößern und demokratische Prozesse technisch zu fördern, hieß es zur Eröffnung des Alexander-von-Humboldt-Forschungsinstituts für Internet und Gesellschaft, dessen Unabhängigkeit betont wurde.

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Knut Nevermann, Forschungsstaatssekretär beim Berliner Senator für Bildung, Wissenschaft und Kultur, betonte bei der Einweihung des von Google unterstützten Alexander-von-Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft am Dienstagabend in der Hauptstadt, dass dieses "nicht der intellektuelle Wurmfortsatz einer Suchmaschine" sein werde. Google habe die Größe, "ein freies Institut zu finanzieren und seine wissenschaftliche Unabhängigkeit zu respektieren", meinte der SPD-Politiker. Die Internetforschung bekomme ein weiteres institutionelles Gesicht, was gut für Berlin, die Netzgemeinde und auch für ein US-Unternehmen sei. Bei einer öffentlichen Wertschöpfung der Forschung der wissenschaftlichen Einrichtung sei ein Imagetransfer auch für Google jedenfalls gerechtfertigt.

Feierten die Eröffnung des Alexander-von-Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft: Ingolf Pernice (HU), Jeanette Hofmann (WZB), Thomas Schildhauer (UdK), Wolfgang Schulz (Hans-Bredow-Institut) und Google-Rechtsvorstand David Drummond (v.l.n.r.)

(Bild: Stefan Krempl / heise online)

Die Förderung des Instituts mit 4,5 Millionen Euro über drei Jahre hinweg durch den Internetkonzern habe "falsche Aufgeregtheiten" erzeugt, meinte Nevermann. Auch die Forschungsdirektoren der drei Gesellschafter – Humboldt-Universität (HU), Universität der Künste (UdK) und Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) – betonten ihre Freiheit. "Wir wollen möglichst unabhängig arbeiten von den Geldgebern", erklärte der HU-Rechtsprofessor Ingolf Pernice. "Wir haben sie eingesperrt in eine gemeinnützige Gesellschaft, in die sie ganz frei Geld einbringen können." Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut in Hamburg, dem ersten Kooperationspartner der Berliner, unterstrich: "Wir werden unsere Arbeit rücksichtslos betreiben." Dies beziehe sich auf das Verhältnis zur Politik, zur Wirtschaft und auch auf den Förderer.

David Drummond, Rechtsvorstand bei Google, verwies darauf, dass Deutschland für seine Forschungseinrichtungen berühmt sei. Berlin habe sich zudem mehr und mehr zur "digitalen Hauptstadt" für Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt. Gerade bei Themen wie Internetinnovationen oder Netzpolitik gehörten Berliner Forscher zu den auch international führenden Köpfen. Google möchte laut Drummond zu diesem Prozess beitragen mit seiner Investition.

Humboldt, der Namensgeber des Instituts, sei einer der großen Erforscher der Welt gewesen und hätte heutzutage vermutlich Dienste wie Google Maps oder Street View verwendet, scherzte der Konzernabgesandte. Das Unternehmen sei selbst Teil des Internets und wolle die Zusammenhänge mit der Gesellschaft besser verstehen. Ihm liege daran, die Internetfreiheiten zu vergrößern, die Privatsphäre der Nutzer zu schützen und demokratische Prozesse technisch zu fördern. Dafür müssten die Sozialwissenschaften in die Formung der Technosphäre eingebunden werden. Maximen dabei seien Stichworte wie Open Access, offene Standards, Interoperabilität und offene Innovation.

"Wir brauchen diese Einrichtung", sagte Birgit Grundmann, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium. Die FDP-Politikerin erwartet sich davon im Interesse der Politik eine "belastbare Basis für eine vernünftige rechtliche Flankierung des Internets". Ihr Haus sei besonders gespannt, was die Wissenschaftler zur Netzneutralität, zum Jugend-, Verbraucher- und Datenschutz und zu Grenzen der Anonymität und des anwendbaren Rechts erforschten. Aber auch eine Position zum geplanten Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse in Internet, das Google ablehnt, sei gefragt.

Die für das WZB antretende Forschungsleiterin Jeanette Hofmann erinnerte an ihren ersten Schritte hin zur Internetforschung 1993: "Damals standen wir im Verdacht, nur ein Spielzeug untersuchen zu wollen. Tatsächlich hätten sie und ihre Kollegen über das Netz virtuell Pingpong gespielt. Die Sozialwissenschaftlerin sprach so von einem lange Weg, auf dem nicht abzusehen gewesen sei, "dass uns mal jemand ein Institut spenden würde". UdK-Forschungschef Thomas Schildhauer versprach, Bürger und Politik mit an den Tisch zu holen und die Arbeit über kooperative Plattformen voranzubringen. Den Austausch vor Ort voranbringen wollen die Experten zunächst im Rahmen eines internationalen Symposiums, zu dem von Mittwoch bis Freitag rund 250 Wissenschaftler aus der ganzen Welt ins nhow-Hotel am Osthafen kommen sollen. (jk)