"Großer Lauschangriff" beim Verfassungsgericht

Fünf Jahre nach ihrer Verabschiedung stehen die Gesetze zum so genannten Großen Lauschangriff erneut auf dem Prüfstand.

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Von
  • Angela Meyer

Fünf Jahre nach ihrer Verabschiedung stehen die Gesetze zum so genannten Großen Lauschangriff erneut auf dem Prüfstand. Morgen, am 1. Juli, verhandelt das Bundesverfassungsgericht über zwei Verfassungsbeschwerden hierzu, eingereicht von zwei Privatpersonen sowie einer Gruppe von FDP-Vertretern, darunter dem ehemaligen Bundestagsvizepräsidenten Burkhard Hirsch, der die Rechtsentwicklung in diesem Bereich seit langem kritisch begleitet, ebenso wie der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Anfang 1996 nach dem Mitgliederentscheid der FDP für den Großen Lauschangriff von ihrem Amt als Bundesjustizministerin zurücktrat.

Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die im März 1998 im Grundgesetz (pdf) eingefügte Einschränkung des im Art.13 garantierten Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung sowie gegen einzelne Vorschriften des darauf folgenden Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, das seit Mai 1998 gilt. Diese zwei Gesetze machten es möglich, dass die Polizei bei der Strafverfolgung bestimmter Delikte, wie sie vor allem für die Organisierte Kriminalität charakteristisch sind, neben der bereits erlaubten Telefonüberwachung auch direkt Wohnungen abhören darf.

Aus der Sicht der Beschwerdeführer ist dies verfassungswidrig. Die Wohnung als privater Rückzugsraum sei ein für die öffentliche Gewalt unantastbarer Bereich. Die unverhältnismäßige Neuregelung verstoße gegen grundlegende Persönlichkeitsrechte und lasse sogar eine Verletzung der Menschenwürde zu. Und unabhängig davon, ob die Grundgesetzänderung für verfassungsmäßig erachtet wird oder nicht, seien auch die geänderten Bestimmungen der Strafprozessordnung verfassungswidrig.

Kritik gibt es aber nicht an den Gesetzen selbst, sondern auch an ihrer Umsetzung: Laut des aktuellen Berichtes des Bundesdatenschutzbeauftragten Joachim Jacob, der in der Verhandlung als Sachverständiger auftritt, beschränkt sich die Anwendung bisher im wesentlichen auf Mord beziehungsweise Totschlag und Betäubungsmitteldelikte, während die meisten anderen in der Strafprozessordnung genannten Delikte hier keine Rolle spielten, sodass möglicherweise mehr erlaubt wurde als angemessen ist. Dagegen vermisst nicht nur der Bundesdatenschutzbeauftragte in den laut Grundgesetz geforderten Berichten insbesondere Zahlen dazu, wie viele Unschuldige von den Überwachungen betroffen sind, denn nur dann könne das entsprechende parlamentarische Gremium auch kontrollieren, wohin die Entwicklung in diesem Bereich geht. Das nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beschlossene Anti-Terror-Paket hat das bereits bei den Diskussionen um den Lauschangriff gewachsene Misstrauen noch geschürt.

Neben dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz haben bisher auch das Bundesjustizministerium, die Bayerische Staatsregierung, der Deutsche Richterbund und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft gegenüber dem Gericht zu den Verfassungsbeschwerden Stellung genommen. Während die Beschwerden und Stellungnahmen gegenüber dem Gericht nicht im Wortlaut zugänglich sind, legt die gemeinsame öffentliche Stellungnahme mehrerer Landesdatenschutzbeauftragter ausführlich dar, was aus ihrer Sicht für eine Verfassungswidrigkeit der beiden Gesetze spricht. In der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht wird zunächst zu klären sein, ob die Beschwerden überhaupt zulässig sind. Nur dann werden sich die Richter der Frage zuwenden, ob sie auch begründet sind. Ein Urteil wird frühestens in zwei bis drei Monaten erwartet. (anm)